CEO Interview: „Mein Ziel ist es, mehrdimensionalen Wert für unsere Kunden zu schaffen“

Herr Cresswell, was verschlägt einen Briten nach Deutschland?

Sowohl professionelle als auch persönliche Gründe. Ich lebe seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und fühle mich inzwischen mehr deutsch als britisch. Tatsächlich bin ich seit 2017 offiziell deutscher Staatsbürger, worauf ich sehr stolz bin, auch wenn ich meine britische Staatsbürgerschaft behalten habe. Ich werde in Großbritannien sogar „Nigel the German“ genannt – das sagt, glaube ich, alles.

Sie sind seit 1. Juli CEO bei Quoniam. Warum haben Sie sich für diese Veränderung entschieden?

In meinen 30 Jahren in der Finanzbranche war ich immer darauf fokussiert, Probleme von Kundinnen und Kunden aus verschiedenen Perspektiven zu lösen – zunächst als Aktuar auf der Passivseite, anschließend aus einer Investment-Banking-Perspektive, die sich mit den Aspekten der Unternehmensfinanzierung befasst. Zuletzt war ich 15 Jahre lang im Investment Consulting tätig, das einen ganzheitlichen Ansatz für Investmentfragen bietet.

Als ich das Angebot erhalten hatte, CEO von Quoniam zu werden, musste ich nicht lange überlegen – es ist eine fantastische Möglichkeit, all diese Erfahrungen zu bündeln und sie in einem hochmodernen Asset-Management-Kontext anzuwenden, um Investorinnen und Investoren Lösungen für die Zukunft anzubieten. Ich kannte Quoniam bereits aus meiner Zeit als Consultant und der analytisch-systematische Ansatz des Unternehmens hat mich als Mathematiker schon früh angesprochen. Aber vor allem war die Zusammenarbeit mit Quoniam für meine Kundinnen und Kunden immer eine positive Erfahrung, was auch mein Bild von dem Unternehmen geprägt hat.

Es ist sicherlich eine spannende Zeit, um “Quant” zu sein – wenn man die Entwicklungen in Sachen Künstliche Intelligenz, Big Data usw. betrachtet. Aber es gibt zurzeit auch zahlreiche Herausforderungen im Asset Management. Was sind Ihrer Ansicht nach die bedeutendsten?

In den vergangenen zwei Jahren haben wir beispiellose Marktbedingungen mit einer extremen Asset Price Inflation erlebt. Irgendwann wird diese Entwicklung wieder zurückgehen und mehr denn je drängt sich die Frage auf, wie sich robuste Anlagestrategien für die Zukunft entwickeln lassen. Das gilt nicht nur für Asset Manager, sondern auch für Anlegerinnen und Anleger – sie müssen Portfolios mit einer Mischung aus verschiedenen Stilen und Faktoren zusammenstellen, die insgesamt stabil bleiben und die Risiken über verschiedene Marktphasen hinweg abfedern. Immer mehr Investorinnen und Investoren sind sich der Rolle der einzelnen Komponenten in den verschiedenen Marktsituationen bewusst, z. B. dass defensive Strategien in einem extremen Bullenmarkt unterdurchschnittlich abschneiden, in anderen Marktsituationen aber die risikoreicheren Strategien ausgleichen können.

Eine strukturelle Veränderung ist die zunehmende Bedeutung des nachhaltigen Investierens, die Herausforderungen mit sich bringt, aber auch große Chancen bietet. Die Regulierung ist für viele Marktteilnehmende eine treibende Kraft, doch ebenso ist es wichtig, dass Anlegerinnen und Anleger ihre eigenen Überzeugungen entwickeln. Ich glaube, dass nachhaltige Anlagen langfristig ein besseres Rendite-Risiko-Profil aufweisen werden, auch wenn dies kurzfristig unter Umständen nicht der Fall ist – hier müssen die Investorinnen und Investoren entscheiden, was ihnen wichtig ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Finanzbranche gemeinsam einen großen Beitrag zum erforderlichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft leisten können.

Wie kann Quoniam dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen und einen Mehrwert schaffen?

Alpha zu liefern und erfolgreich Risiken zu managen, ist Kern von dem, was wir tun. Das führt zu einem guten Track Record. Aber Wertschöpfung ist mehr als das. In Zukunft sollte der von Asset Managern erbrachte Mehrwert viel mehr Dimensionen haben als die reine Performance. Asset Manager müssen die Überzeugungen ihrer Kunden erfassen und auf dieser Grundlage Lösungen oder Produkte anbieten, die ihnen eine Reihe von Umsetzungsmöglichkeiten bieten. Und genau das ist das Ziel von Quoniam.

ESG ist ein gutes Beispiel: Wir bieten individuelle nachhaltige Anlagelösungen an, damit die Strategie auch wirklich die Ziele und Überzeugungen unserer Kundinnen und Kunden widerspiegelt. Sie profitieren dabei von unserem Wissen über die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen. Im Fokus steht, anspruchsvolle ESG-Kriterien zu erfüllen und dennoch von einem breiten Anlageuniversum zu profitieren. Generell ist Customisation sehr wichtig: Auf Basis unserer innovativen Investmentplattform und einem transparenten, effizienten Anlageprozess können wir die spezifischen Probleme unserer Kundinnen und Kunden lösen.

Auch Innovation ist entscheidend. Wir sind bestrebt, ständig neue Alpha-Quellen zu erschließen und unsere Produktpalette zu erweitern, z. B. durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Natural Language Processing in Kombination mit innovativen neuen Datenquellen. Dieses Streben nach ständiger Verbesserung zum Nutzen unserer Kundinnen und Kunden zieht sich durch unser gesamtes Unternehmen – vom Back- über das Middle- bis zum Front-Office. Eine kollaborative Kultur, die auf einem klaren Purpose basiert, ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

Was bedeutet Unternehmenskultur für Sie?

Ich lege großen strategischen Wert auf eine zielorientierte Kultur, die es unseren Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, ihre individuellen Talente zu erkennen und zu entfalten. Vielfalt spielt eine sehr wichtige Rolle, denn unterschiedliche Persönlichkeiten und Perspektiven können unsere Entwicklung als Organisation beschleunigen. Deshalb werden wir Diversity weiter stärken. Ich möchte unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und aktiv zu Innovation und Wandel im Unternehmen beizutragen – das macht aus meiner Sicht eine positive Unternehmenskultur aus.

Der Winter steht vor der Tür. Was sind Ihre Leseempfehlungen für die dunkle Jahreszeit?

Wenn Sie mehr darüber lesen möchten, warum kognitive Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist, dann empfehle ich „Rebel Ideas“ von Matthew Syed. Ein weiteres großartiges Buch ist „The End of Everything (Astrophysically Speaking)“ von Katie Mack. Das Buch ist auch für Laien verständlich und erklärt, warum, wie und wann es zum Ende des Universums kommen wird. Die gute Nachricht: Die im Buch beschriebenen Modelle deuten darauf hin, dass es uns noch Milliarden von Jahre lang geben wird – mehr als genug Zeit also für langfristiges Investitionsdenken, das sich wie immer auszahlen wird!