Short Selling als ex-ante Alpha-Signal

Um unser Alpha-Prognosemodell weiterzuentwickeln, untersuchen wir Faktoren, die sowohl eine Outperformance erwarten lassen als auch zu den bisher verwendeten Informationen unkorreliert sind. Mit den Informationen des Leerverkaufsmarktes haben wir solch einen Faktor gefunden und in unser Prognosemodell aufgenommen.

Stefan Klein, CFA
Research Forecasts

Eine effiziente Preisbildung auf Aktienmärkten setzt voraus, dass alle Marktteilnehmer ihre individuellen Erwartungen bezüglich der zukünftigen und wertrelevanten Informationen in diesen Prozess einbringen. Beurteilt ein Marktteilnehmer den Marktpreis als zu hoch, wird der Kauf der Aktie vermieden. Je höher die Konfidenz der vermuteten Überbewertung und/oder je höher die Überbewertung an sich, desto eher sind vor allem professionelle Investoren bereit, ein Leerverkaufsgeschäft (Short Selling) einzugehen. Dazu leihen sich die Interessenten bei den Verwahrstellen die gewünschten Wertpapiere gegen Sicherheiten und Gebühr und verkaufen sie am Markt. Fällt die Aktie wie erwartet im Kurs, kauft sie der Investor billiger zurück und erhält die Differenz als Gewinn.

Investmenthypothese

Short Selling ist ein operativ stark regulierter, komplexer und ökonomisch sehr riskanter Vorgang, setzt sich der Leerverkäufer doch einem unbegrenzten Verlustrisiko aus. Es ist davon auszugehen, dass vor allem gut informierte institutionelle Investoren mit überdurchschnittlichen analytischen Fähigkeiten in diesem Markt aktiv sind. Die Annahme, dass diese Investorengruppe über gute, aktienspezifische Informationen verfügt, gepaart mit der Beobachtung eines erhöhten Leerverkaufsaufkommens, signalisiert ein negatives Sentiment für die entsprechende Aktie. Aktivitäten, die eine direktionale Meinung vermuten lassen, sind für die Renditeprognose besonders interessant. Folglich führt die Motivation, Aktien um den Dividendentermin aus rein steuerlichen Gründen leerzuverkaufen, zu Verzerrungen. Diese Trades haben keinen Informationswert, weshalb wir die Signale um diesen Effekt bereinigen.

Quintil-Performance des Short-Selling-Composites
Abb. 1: Darstellung für den Zeitraum Jan. 2007 – Mai 2019; Aktien in Q1 (Q5) weisen eine hohe (niedrige) Leerverkaufsaktivität auf.
Quelle: Refinitiv Datastream, Markit, Quoniam
Datengrundlage

Die Informationen über die Menge der abgeschlossenen Leerverkaufskontrakte sind mit zeitlicher Verzögerung von den Börsen selbst oder sehr zeitnah von spezialisierten Datenprovidern erhältlich. Diese liefern zusätzlich zu den abgeschlossenen Leerverkaufspositionen auch die potenziell zur Verfügung stehende Menge an ausleihbaren Wertpapieren und decken somit auch die Angebotsseite ab. Wir erhalten für unser globales Sample somit Kenntnis über die Menge der zur Leihe zur Verfügung stehenden Aktien, die Höhe und die Anzahl der abgeschlossenen Leerverkaufskontrakte oder die Gebühren, die für das Leihgeschäft anfallen. Diese Daten stehen uns seit Januar 2007 zur Verfügung.

Modellierung

Um das Quoniam Alpha-Modell um Leerverkaufsinformationen zu ergänzen, bilden wir – analog zu den bereits bestehenden Faktorgruppen – ein Composite-Signal aus mehreren Dimensionen des Leerverkaufsmarktes. Die Elemente, die sich im Faktor-Research als besonders wertvoll herausgestellt haben, decken ab:

  • das Volumen der ausstehenden Leerverkaufskontrakte (Volume)
  • die Breite der Leerverkaufsaktivitäten (Breadth)
  • die Kapazitätsauslastung des Leiheangebots (Capacity Utilisation)

Der Nutzen, den dieses Signal im Rahmen unseres MultifaktorAnsatzes spielt, soll im Folgenden näher herausgearbeitet werden.

Faktorperformance

Zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit des Short-Selling-Composite-Signals bilden wir monatlich nach unserem Signal aufsteigend sortierte Quintile. Die jährliche Outperformance für jedes Quintil gegenüber dem breiten Markt ist für die Anlagemärkte–Emerging Markets (EM), Europa (EU) und Nordamerika (NA)–in Abb. 1 dargestellt. Der positive Zusammenhang zwischen Composite-Signal und Outperformance ist leicht ersichtlich und zeigt sich stabil für alle dargestellten Regionen. Bemerkenswert für den Leerverkaufsfaktor ist die Beobachtung, dass er sowohl im ersten Quintil als auch im fünften Quintil funktioniert. Naturgemäß würde man erwarten, dass vor allem die Aktien mit hoher Leerverkaufsaktivität besonders schlecht abschneiden. Für uns als Long-Only-Investoren ist aber gerade die Abwesenheit von Leerverkäufen interessant, da diese Aktien auf der Kaufseite ebenfalls eine Outperformance zeigen.

Die jährliche Überrendite von ca. 2% für das fünfte Quintil sieht auf den ersten Blick gering aus. Sie wird aber umso wertvoller, je weniger das neue Signal mit den Signalen, die bereits im Prognosemodell eingesetzt werden, korreliert. Um dies zu zeigen, berechnen wir die Korrelation des Short-Selling-Composites mit bekannten, bereits im Modell befindlichen Investmentfaktoren.

Dabei wird deutlich, dass eine hohe oder niedrige Leerverkaufsaktivität praktisch unabhängig zu den bereits eingesetzten Faktorgruppen Value, Sentiment, Size und Beta auftritt. Unter diesen Voraussetzungen stiftet das Short-Selling-Composite-Signal einen positiven Nutzen für unser Alpha-Modell.