Interview mit CTO Dr. Alexander Beck: Technology bei einem quantitativen Asset Manager
Als quantitativer Asset Manager übersetzen wir wissenschaftliche Theorie in mathematische und computergestützte Modelle, die unseren Handel und unsere Portfolios steuern. Der Bereich Technology hat dabei die wichtige Aufgabe, den Raum dafür zu schaffen, sodass diese Modelle entwickelt und betrieben werden können. Hier kommt dem Thema Data Management eine wichtige Funktion zu. Im Gespräch mit unserem Chief Technology Officer Dr. Alexander Beck.
Du bist die Erstbesetzung als Chief Technology Officer bei Quoniam. Kannst du uns etwas mehr über deine Rolle berichten? Warum hat Quoniam diese Stelle geschaffen?
Gerade als quantitativer Asset Manager sind wir in unserer Arbeit natürlich von einem soliden technologischen Fundament abhängig. Daher ist Technologiekompetenz ein fester Bestandteil unseres Company Purpose und tief in unserer DNA verwurzelt. Bekanntermaßen entwickeln sich IT und Technology beständig und teilweise auch rasant weiter und so braucht es die Aufmerksamkeit auf Management-Ebene, um dauerhaft auf der Höhe der Zeit zu bleiben – so kam meine Rolle zustande. Als CTO ist es meine Aufgabe, strategisch relevante Technologiethemen für uns zu erkennen und so anzugehen und aufzubauen, dass wir langfristig unseren technologischen Wettbewerbsvorteil sichern. Zum Beispiel muss unser Zugang zu Daten und unser Data Management effizient und von hoher Qualität sein, aber auch Prozesseffizienz und Prozessautomatisierung sind für uns sehr wichtig. Dafür braucht es entsprechende Softwaretechnologien, Infrastruktur und die passende Kultur und Denkweisen.
Als du bei Quoniam gestartet bist, was war dein wichtigstes Ziel?
Erstmal war es mir natürlich wichtig, einen guten Überblick über den Stand unserer Systemlandschaft und Softwareentwicklung zu bekommen und von dort aus eine Agenda zu entwickeln: Wo wollen wir in den nächsten Jahren hin und welche zusätzlichen Themen müssen wir adressieren, die damals vielleicht noch neu für das Unternehmen waren. Die erste große Aufgabe ließ nach meinem Antritt nicht lange auf sich warten: Durch Corona hat sich nahezu die gesamte Firma über Nacht komplett ins Homeoffice verabschiedet, was für Quoniam bis dahin eigentlich eher die Ausnahme war. Unsere digitale Arbeitswelt war zwar grundsätzlich durch Virtualisierungslösungen für mobiles Arbeiten geeignet, es gab aber doch noch einiges zu tun, um die digitale Zusammenarbeit weiter zu optimieren.
„Wir leben in einer Welt, in der viele Unternehmen noch datengetriebener arbeiten wollen. Das ist für uns nichts Neues. Daten sind an jeder Stelle Teil unserer Produktionsstraße. Unsere Produkte in Metriken wie Alpha oder in ESG-Aspekten messbar zu machen, ist Kern unserer DNA.“
Dr. Alexander Beck
Chief Technology Officer
Was sind die Besonderheiten der Arbeit im Technology-Bereich eines Finanzdienstleisters im Vergleich zu anderen Branchen?
Der wesentliche Unterschied aus meiner Sicht ist, dass wir als Finanzdienstleister in der IT seitens der Aufsicht stark reguliert sind. Das hat aber unterm Strich auch Vorteile: Wir sind bei neuen Themen und Systemeinführungen von Anfang an darauf bedacht, neben den richtigen Tools und Computing Power auch wichtige Themen wie Sicherheitskonzepte und Datenschutz mit zu berücksichtigen. Wir sind deshalb vielleicht manchmal langsamer im Vergleich zu einem weniger regulierten Industrieunternehmen, das sich etwas mehr nach der Devise „einfach mal machen“ weiterentwickeln kann. Diese Herangehensweise ist natürlich auch das, was die großen amerikanischen Softwareunternehmen durch ihre Cloud-Angebote fördern.
Wir hingegen erarbeiten unsere technologische Weiterentwicklung gleich zu Beginn mit etwas mehr Umsicht und Sorgfalt, um am Ende auch aufsichtsrechtliche Konformität zu haben. Damit haben wir gefühlt nicht immer ganz so viele Freiheitsgrade, wenn wir aber angekommen sind, haben wir auch die Sicherheit, dass unsere Lösungen und Entwicklungen Bestand haben. Hierfür arbeiten wir übrigens auch intensiv mit externen Experten zusammen. Das wiederum kommt unseren Mitarbeiter*innen im Sinne einer steilen Lernkurve zugute. Ein Beispiel ist der Aufbau der Microsoft Azure Cloud. In diesem Projekt haben wir neben technischen Konzepten und Komponentenauswahl auch gleich Fragestellungen zu IT-Regulatorik ausgearbeitet, was in diesem Umfang heute noch Neuland für viele Finanzinstitute ist. Das ganze Vorhaben wurde dann gleich etwas größer, aber dafür ist die Lösung am Ende auch genau auf unseren Bedarf als Finanzunternehmen zugeschnitten.
Ist Technology bei einem Finanzdienstleister trockener als in anderen Branchen? Und wie schaut es in einem solchen Umfeld mit Fehlerkultur aus?
Trocken würde ich unsere Technologie keinesfalls nennen, eher durchdacht und langfristig angelegt. Die Art, wie wir arbeiten, bietet mehr als genug Raum für eine gute Fehlerkultur. Diese brauchen wir auch, um uns beständig weiterzuentwickeln und Innovation voranzutreiben, das Gegenteil wäre fatal für uns. Entscheidend ist ja der positive und lösungsorientierte Umgang mit Fehlern – am besten so, dass wir alle davon lernen können. Etwas trocken ist manchmal die IT-Regulatorik, wenn es um Prüfroutinen und ähnliches geht. Aber auch hier können wir innovativ sein und moderne Technologien und Automatisierungslösungen einführen, die uns weiterbringen.
„Unsere Systeme müssen leicht skalierbar sein – zum Beispiel haben wir bei unserer Research Cloud die Möglichkeit, mehrere 100 Rechenkerne parallel für eine einzelne Aufgabe zu verwenden. Daran sieht man, welches Potential der Weg in die Cloud hat.“
Dr. Alexander Beck
Chief Technology Officer
Was ist das Besondere an der Arbeit im Technology-Bereich eines quantitativen Asset Managers?
Uns als quantitativen Asset Manager zeichnet aus, dass wir wissenschaftlich, daten- und modellgetrieben arbeiten. Vereinfacht gesagt: Wir übersetzen wissenschaftliche Theorie in mathematische und computergestützte Modelle, die am Ende unseren Handel und unsere Portfolien steuern. In Technology haben wir die wichtige Aufgabe, den Raum dafür zu schaffen, sodass diese Modelle entwickelt und betrieben werden können. Hier kommt dem Thema Data Management eine wichtige Funktion zu. Datenverfügbarkeit und Qualität sind wichtige Erfolgsfaktoren für uns. Das bedeutet: Unsere Systeme müssen leicht skalierbar sein – zum Beispiel haben wir bei unserer Research Cloud die Möglichkeit, mehrere 100 Rechenkerne parallel für eine einzelne Aufgabe zu verwenden. Daran sieht man, was für Schlagkraft dahintersteckt, wenn man den Weg in die Cloud geht. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich im Research eine Woche auf mein Ergebnis warte oder nur eine Stunde. Wenn es schnell geht, macht die Arbeit mehr Spaß.
Welche Rolle spielen Daten dabei?
Wir leben in einer Welt, in der sich viele Unternehmen wünschen, noch datengetriebener zu arbeiten und Automatisierungsgrade hochzufahren. Das ist für uns nichts Neues. Daten sind an jeder Stelle Teil unserer Produktionsstraße. Unsere Produkte in Metriken wie Alpha, Risiko oder in ESG-Aspekten messbar zu machen, ist Kern unserer DNA. Ein Beispiel sind die UN-Entwicklungsziele Sustainable Development Goals: Das sind 17 Ziele mit jeweils mehreren Unterzielen, also sehr viele Datenpunkte. Für uns ist es relativ einfach, das in einen Investmentansatz zu integrieren, weil wir ohnehin sehr datengetriebenen vorgehen.
Welche Erfolge konntest du im Bereich Technology in den vergangenen Monaten erzielen?
Wir haben in den letzten Monaten einen modernen und mobilen digitalen Arbeitsplatz für unsere Mitarbeitenden geschaffen und wertvolle konzeptionelle Arbeit für die zukunftsfähige Gestaltung unserer Investmentplattform geleistet. Ebenfalls ein großer Erfolg ist der Aufbau unserer Research-Cloud-Plattform, wo wir direkt den Sprung ins kalte Wasser gewagt und eine große Veränderung eingeleitet haben. Unsere Research-Plattform kommt aus einer Welt, in der wir die Kauf-Software SAS auf PCs hatten, die unter unseren Tischen standen. Dieses Setup hält den neuen Anforderungen rund um Data Onboarding und Machine Learning nicht mehr stand und musste daher erneuert werden.
„Die Cloud ist für Technologieexperten wie ein Candy Shop. Viele Wege führen nach Rom. Am Ende ist es gar nicht so wichtig, den allerbesten Weg zu finden, sondern: Es geht uns um einen sehr guten Weg, den wir dann stringent und erfolgreich verfolgen.“
Dr. Alexander Beck
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Was genau haben wir gemacht, um die Research-Plattform zu modernisieren?
Zunächst haben wir uns auf Open Source und die Programmiersprache Python geeinigt, wo heutzutage die wesentliche Innovation in Datentechnologien und Datenmodellierung stattfindet. Wir haben Python für die gesamte Firma als strategische Programmiersprache ausgerufen, um Fachbereich und Entwickler nahtlos auf derselben Technologie arbeiten zu lassen. Denn als technologisch geprägtes Unternehmen möchten wir hier natürlich Schlagkraft haben, indem zum Beispiel auch die Portfolio Manager mit Python Portfolioideen schnell und eigenständig entwickeln können. Die Entscheidung für Python macht einen riesigen Kosmos an methodischen Möglichkeiten auf, ist aber auch gut für Datenverarbeitung und Prototyping sowie für das produktive Entwickeln geeignet. Und Python passt zu unserer neuen Cloud-Architektur. Darüber hinaus haben wir die Research Cloud von Anfang an so gebaut, dass sie skalierungsfähig und IT-regulatorisch gut durchdacht ist. So können wir in Zukunft auch andere Technologiebereiche bei Quoniam gut an dieses Setup anbinden.
Was waren eure wichtigsten Learnings aus diesem Projekt?
Der Sprung in die Cloud war wirklich gut und richtig und wir hatten ein hoch motiviertes Projektteam sowie die richtigen Experten an Board. Mein wichtigstes Learning am Ende war die Wichtigkeit der beständigen Re-Fokussierung. Die Cloud ist für Technologieexperten wie ein Candy Shop. Es ist ein schmaler Grat zwischen unbegrenztem Ausprobieren und dem Treffen von Richtungsentscheidungen, an die wir uns dann strikt halten, um den inhaltlichen Fortschritt nicht zu verschleppen. Viele Wege führen nach Rom und es ist am Ende gar nicht so wichtig, den allerbesten Weg mit viel Aufwand zu finden, sondern: Es geht uns um einen sehr guten Weg, den wir dann aber stringent und erfolgreich verfolgen.
Was steht in den nächsten zwei bis drei Jahren auf deiner Agenda?
Quoniam erlebt gerade einen kleinen Gezeitenwandel. Wir lassen große Themenstränge hinter uns – die Schaffung einer modernen Arbeitsplatzausstattung ist weitgehend abgeschlossen und es ist wirklich schön zu sehen, dass wir in der neuen digitalen Arbeitswelt angekommen sind. Vor uns liegen aber noch zwei große Themen: Erstens, die Modernisierung unserer IT-Regulatorik, die uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird, und, zweitens: dass wir nach der Research Cloud auch unsere Investmentplattform von Grund auf modernisieren und dabei das sehr wichtige Thema Data Management auf ein Best-in-Class Niveau heben. Auch hier kommt Prozessautomatisierung zum Einsatz: Zum Beispiel soll ein Portfolio Manager morgens an seinen Arbeitsplatz kommen und schon fertig optimierte Portfolios vorliegen haben. Diese dann vielleicht sogar mit Handlungsempfehlen versehen, wo weiterführende Expertenhandlungen anstehen und gefragt sind. In solchen Themen kann durch Technologie viel Vorarbeit geleistet werden und so lässt sich die Arbeit der Portfolio Manager dahin fokussieren, wo sie die wichtigste Wertschöpfung haben: Kreativität und Fachwissen einzubringen, anstatt sich mit Systemen herumzuschlagen.
Kannst du noch etwas zum Thema digitale Arbeitswelt sagen?
Wir haben ein Konzept für hybrides Arbeiten für unsere Standorte Frankfurt und London sowie die Ausstattung unserer Mitarbeiter mit modernster mobiler IT-Infrastruktur erarbeitet und ausgerollt. Der Mix aus Arbeit im Office und mobilem Arbeiten zuhause oder unterwegs ist damit noch reibungsloser möglich. Durch Docking Stations an jedem Platz sind wir im Büro flexibler geworden und könnten in der Zukunft auch Hot-Desks-Konzepte problemlos umsetzen. Wir haben uns dabei bewusst für Laptops mit Touchscreen und passendem Stift entschieden, um hybride Arbeit besser zu ermöglichen und digitale Notizen zu machen. Damit man zum Beispiel im Meeting spontan ein digitales Whiteboard aufmachen und den Zuhörern eigene Ideen skizzieren kann – wir alle wissen, wie hilfreich es manchmal ist, eine kurze Skizze aufs Papier zu bringen, um Gedanken zu ordnen. Was beim Thema hybride Zusammenarbeit ganz wichtig ist: Dass wir neugierig bleiben, offen sind für neue technische Möglichkeiten und uns transparent darüber austauschen.
In den vergangenen Monaten haben viele Kolleg*innen vorwiegend von Zuhause aus gearbeitet, der Austausch im Büro war begrenzt. Was glaubst du, wie es weitergeht?
In Zukunft wird es natürlich mehr hybride Meetings geben, wo manche Kollegen zuhause sind und andere im Büro sein werden. Der Übergang wird fließender und es sollte nicht mehr so eine große Bedeutung haben, ob man zuhause ist oder nicht – gleichzeitig sollten die Kollegen im Büro die Vorteile des persönlichen Austausches nutzen können. Wir sind gut vorbereitet und haben die digitalen Möglichkeiten, um hier flexibel zu sein – wollen diese digitale Kompetenz bei uns aber weiter stärken.
Wie stehst du zum Thema Präsenzkultur vs. 100% Homeoffice?
Es ist grundsätzlich wichtig und gut, so viel Freiraum wie möglich zu lassen. Zu viel Flexibilität kann aber auch den kreativen Austausch gefährden. Es gibt einige Firmen, die eine 100% Home-Office-Philosophie hatten und sie dann wieder zurückgenommen haben – zum Beispiel Yahoo. Ich bin für einen hybriden Ansatz, der mobile Arbeit flexibel ermöglicht, aber auch den persönlichen Austausch als wichtigen Faktor für Kreativität und Innovation sieht. Wichtig ist, dass die Grundstimmung und die Motivation im Unternehmen passt und man sich auf die Kollegen freut. Schließlich ist der Arbeitsplatz ein enorm wichtiges soziales Umfeld. Erst kürzlich hatte ich eine tolle Gesprächssituation im Büro, die spontan zustande kam und wo im Laufe der Zeit immer mehr Kollegen dazu gekommen sind. Wir haben gemeinsam hinterfragt: Reden wir über dasselbe? Haben wir das gleiche Ziel? Dieses Abtasten ist wichtig, um sich gegenseitig zu bestärken, dass alle dasselbe wollen. Und wenn man Unstimmigkeiten feststellt, ist es möglich, dass man unkompliziert und ohne Termin darüber spricht. Das können Kleinigkeiten sein wie „ich warte noch auf eine E-Mail von dir“ bis hin zu „spannender Vortrag in 3 Wochen, ist das was für dich?“ Wir können alle nicht noch mehr E-Mails lesen und noch mehr Meetings haben – wir brauchen die Leichtigkeit des schnellen, spontanen Austausches wieder viel stärker. Was in Zukunft auch wichtig ist: Anlässe zu schaffen für die Arbeit im Büro – bei Quoniam haben wir eine Spielkonsole, treffen uns beim Frühstücksbuffet und essen zu Geburtstagen gemeinsam Torte. Noch wichtiger als diese Anreize ist aber die Stärkung der Eigenverantwortung aller Mitarbeiter und die Entwicklung eines Sense-of-belonging-Gefühls bei jedem Einzelnen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!