Marktkommentar Anleihen: Große Versprechen, wenig Ergebnisse – Amerikas Quartal im Rückwärtsgang
Die einst ambitionierten US-Pläne zu Defizitreduzierung, Wirtschaftsstärkung und Konfliktentschärfung haben sich in Handelskriege, steigende Neuverschuldung und neue Kriege verwandelt. Welchen Einfluss das auf die Anleihenmärkte hat, erläutert Dr. Harald Henke, Head of Fixed Income, in seinem Marktkommentar.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income
In Kürze
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Die ambitionierten Pläne zur Defizitreduzierung und Wirtschaftsstärkung der US-Regierung verwandelten sich binnen Quartal in Haushaltschaos, explodierende Verteidigungsausgaben und einen eskalierenden Handelskrieg.
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US-Zinsen stiegen deutlich an, während Europa dank EZB-Senkungen sinkende Kurzfristzinsen verzeichnete – die Divergenz spiegelt auch die inflationären Folgen der US-Zollpolitik wider.
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Trotz politischer Unordnung und geopolitischer Risiken blieben Credit-Spreads stabil, gestützt durch robuste Unternehmensbilanzen und die Widerstandskraft global agierender Konzerne.
Vor drei Monaten haben wir über die vielversprechenden Ansätze der US-Regierung diskutiert, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, geopolitische Konflikte zu entschärfen und die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft zu steigern. Wir haben jedoch auch betont, dass abzuwarten bleibt, ob diesen Ansätzen auch Taten folgen. Drei Monate später ist von der Hoffnung nicht mehr viel übrig. Es herrscht Chaos.
Politisches Umfeld
Wie auch in den letzten Quartalen war das politische Umfeld maßgeblich von den Ereignissen in den USA geprägt. Anfang des Jahres kündigte die US-Regierung Initiativen an, das Haushaltsdefizit zu senken, insbesondere durch eine Reduzierung des Verteidigungsbudgets und die Eindämmung verschwenderischer Ausgaben. Zudem sollten die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft durch technologische Initiativen, Steuersenkungen und den Abbau von Bürokratie erhöht, geopolitische Konflikte entschärft und das Zuwanderungsproblem angegangen werden. Drei Monate später sind die Fortschritte ausgeblieben. Die Politik der US-Regierung wirkt zunehmend chaotisch.
- Statt die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft durch interne Reformen und Kostensenkungen zu stärken, löste die Regierung Anfang April einen globalen Handelskrieg aus. Während China im Fokus der Maßnahmen stand, wurden zahllose Länder mit Zöllen belegt, die sich an der Höhe ihres Handelsbilanzüberschusses mit den USA orientierten. Diese Maßnahmen lösten einen Abverkauf an den Aktienmärkten sowie eine Ausweitung der Credit-Spreads aus. Verhandlungen zwischen den einzelnen Handelsblöcken sind im Gange – mit ungewissem Ausgang.
- Das Haushaltsbudget der US-Regierung wurde mit Enttäuschung aufgenommen. Das Verteidigungsbudget wächst weiter an und neue Großprojekte wie ein Raketenabwehrschirm für die gesamten USA zum Preis von Hunderten Milliarden USD werden diskutiert. Steuersenkungen sorgen kurzfristig für einen weiteren Anstieg des Defizits. Gleichzeitig steigen die Spannungen zwischen Präsident Trump und dem mit Einsparungen beauftragten Department of Government Efficiency. Konsolidierungsbemühungen sind aktuell nicht zu erkennen.
- Auch in der Geopolitik herrscht Chaos. In den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten ist keine US-Strategie erkennbar. Innerhalb der US-Regierung herrscht eine Kakophonie verschiedener Stimmen, die in zwei Lager zu zerfallen scheint. Präsident Trump erweckt nicht den Anschein, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Stattdessen hat er die Friedensplattform, auf der er die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, verlassen und symbolisch den Iran angegriffen. Dies hätte zu einem weiterreichenden Krieg eskalieren können mit einem dramatischen Anstieg der Ölpreise und entsprechenden Auswirkungen auf die globale Wirtschaft.
Implikationen für die Zinsen: Verschiedene Wege für die USA und Deutschland
Die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Zinsmärkte unterscheiden sich in den USA und Europa, wie Abbildung 1 verdeutlicht:
Abbildung 1: Zwei- und Zehnjahreszinsen in den USA und Deutschland
In Deutschland fielen die kurzfristigen Zinsen zum Quartalsbeginn, nachdem sie im März aufgrund der Bekanntgabe des deutschen Fiskalpakets deutlich angestiegen waren. Die EZB machte einen weiteren Zinsschritt nach unten. Insgesamt fielen die Zinsen in Europa auf Quartalssicht leicht.
In den USA hingegen war auf Quartalssicht ein Anstieg zu verzeichnen. Nach allgemeiner Einschätzung dürfte sich der inflationäre Impuls der Zollpolitik vor allem in den USA niederschlagen. Dies führte am kurzen Ende der Zinskurve zum Auspreisen eines Zinsschritts.
Am deutlichsten ist die Divergenz an der 30-jährigen Rendite zu erkennen, wie Abbildung 2 zeigt.
Abbildung 2: 30-jährige Renditen in den USA und Deutschland
Während sich die langfristigen Zinsen in Deutschland tendenziell weiterhin seitwärts bewegen, steigen sie in den USA kontinuierlich an. Im Laufe des Quartals wurde sogar kurzfristig die symbolische 5%-Marke überschritten, zum Quartalsende lagen sie leicht darunter. Die Mehrzahl der Marktteilnehmer hat sich im zweiten Quartal für weiter steigende langlaufende US-Zinsen positioniert.
Konsequenterweise veränderte die US-Notenbank ihre Leitzinsen nicht. Die Unsicherheit über den weiteren Kurs der US-Wirtschaftspolitik und dessen Einfluss auf die Inflation lässt die Notenbanker vorsichtig agieren. Die zunehmende Kritik der US-Regierung an der Zentralbank verstärkt diese Unsicherheit zusätzlich.
Mitte Juni veröffentlichte die Notenbank die Prognose des weiteren Zinspfads ihrer Mitglieder. Abbildung 3 stellt die Medianschätzung dar:
Abbildung 3: Median der Zinspfadschätzungen der Fed-Mitglieder
Die Unsicherheit am Markt hat bisher nicht dazu geführt, dass für das Jahr 2025 weniger Zinsschritte erwartet werden. Die US-Notenbank geht nach wie vor von zwei Zinsschritten nach unten bis Jahresende aus. Allerdings wird der weitere Zinspfad für die nächsten beiden Jahre vorsichtiger beurteilt: Sowohl für 2026 als auch für 2027 ist ein zusätzlicher Schritt nach unten um jeweils 25 Basispunkte ausgepreist.
Credit-Spreads trotzen den Turbulenzen
Die Entwicklung der letzten Monate hat bisher nicht zu einer spürbaren Abschwächung der Konjunktur geführt. Die Arbeitsmärkte bleiben robust, die Einkaufsmanager-Indizes sind im expansiven Bereich (USA) oder auf dem Weg dorthin (Deutschland). Inflationsraten und Inflationserwartungen bleiben auf einem moderaten Niveau.
Dementsprechend blieben auch die Spreads von bonitätsstarken Unternehmensanleihen unterstützt und überstanden die Turbulenzen um den Handelskrieg Anfang April deutlich besser als die Aktienmärkte.
Abbildung 4: Credit-Spreads
Nach dem Anstieg der Spreads Anfang April – in der Spitze um knapp 30 Basispunkte – setzte eine Rallye ein, die bis zum Ende des Quartals anhielt und das Spread-Niveau wieder auf sein Ausgangslevel zurückbrachte. Die Credit-Märkte zeigten sich unbeeindruckt und schüttelten die Volatilität schnell ab, unterstützt durch über die letzten Jahre gestärkte Unternehmensbilanzen.
Fazit
Das zweite Quartal 2025 war von einer chaotischen Wirtschafts- und Außenpolitik gekennzeichnet. Die Märkte haben die Volatilität allerdings gut verkraftet und selbst die Sorgen um Zollerhöhungen und einen Ölpreisanstieg im Zusammenhang mit den Kriegen im Nahen Osten schnell überwunden. Geopolitische Risiken bleiben allerdings hoch, Krisen können jederzeit neu aufflammen oder eskalieren. Daher bleibt ein umsichtiges Agieren von Seiten der Marktteilnehmer ein Schlüssel zum Erfolg.
Große, globale Unternehmen sind am besten aufgestellt, die Wirren dieser Märkte zu bewältigen. Mit Produktionsstandorten und Absatzmärkten auf der ganzen Welt verfügen sie über den größten Spielraum, um politische Aktionen zu umgehen und deren Einfluss auf das Unternehmensergebnis zu minimieren – viel mehr als nationale Regierungen. Ein Beispiel für ein solches Unternehmen ist Apple, das vorschlug, iPhones aus China nach Indien zu transportieren, um dort die letzten Handgriffe auszuführen und die Produkte als indische Exporte zu deklarieren, um den Zöllen auf chinesische Importe zu entgehen. Globale Unternehmensanleihen dürften damit auch im aktuellen Umfeld weiterhin gefragt sein.