Unterscheidung von Faktor-Strategien bei Unternehmensanleihen und Aktien

Factor Investing wird für Unternehmensanleihen immer beliebter. Wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse zeigen, dass es auch bei Unternehmensanleihen systematische Faktoren gibt, mit denen sich Überschussrenditen in globalen Unternehmensanleiheportfolios erzielen lassen.

Neue Technologien und eine ständig wachsende Rechenleistung ermöglichen quantitativen Fondsmanagern den Zugang zu großen Datenmengen, die für die Modellierung von Faktoren erforderlich sind. Dies bedeutet, dass institutionelle Anleger in einen alternativen Managementansatz für Unternehmensanleihen investieren können, der auf quantitativem Factor Investing basiert.

In unserem neuen englischsprachigen Whitepaper beantworten wir eine Frage, die institutionelle Investoren häufig stellen: Was unterscheidet die Faktorstrategien für Unternehmensanleihen von den Faktorstrategien für Aktien?

2020 – Ein außergewöhnliches Jahr für Faktorstrategien in Aktien und Unternehmensanleihen

Im Jahr 2020 erzielten Faktorstrategien für Aktien vor allem aufgrund der negativen Entwicklung des Value-Stils eine unterdurchschnittliche Performance. Gleichzeitig entwickelte sich die Faktor-Performance bei Unternehmensanleihen nach einem anfänglichen Rückgang im März 2020 gut und übertraf bis zum Jahresende die der Standard-Credit-Benchmarks. Wir haben die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Anlageklassen untersucht und drei Bereiche identifiziert, in denen es signifikante Unterschiede gibt.

Unterscheidungsmerkmal 1: Komplexität der Anlageklassen

Festverzinsliche Anlagen sind mehrdimensional; so ist der Markt für Unternehmensanleihen in verschiedene Segmente, wie z. B. nach Credit-Rating (Investment Grade vs. High Yield), aufgeteilt. Dies erhöht nicht nur die Komplexität der Anlageklasse, sondern führt auch zu Ineffizienzen auf dem Markt, die zu Fehlbewertungen im Anlageuniversum führen. Aufgrund ihres systematischen Ansatzes sind Faktorstrategien gut positioniert, um von diesen Ineffizienzen zu profitieren.

Da die Renditeverteilung bei Anleihen zudem asymmetrischer ist als bei Aktien, wobei das Abwärtspotenzial das Aufwärtspotenzial bei weitem übersteigt, müssen Credit-Faktorstrategien diese Eigenschaft berücksichtigen – indem sie Faktoren verwenden, die so definiert sind, dass sie diese Asymmetrie erfassen. Das unterschiedliche Maß an Komplexität und Effizienz macht es schwierig, Schlussfolgerungen zu ziehen, indem man lediglich die Performance und die Merkmale der verschiedenen Anlageklassen vergleicht.

Unterscheidungsmerkmal 2: Faktordefinitionen

Die Faktordefinitionen in beiden Anlageklassen berücksichtigen unterschiedliche Aspekte. Value-Faktoren werden definiert, indem der Preis eines Assets mit einem fundamentalen Bewertungsmaß verglichen wird. Es besteht jedoch ein erheblicher Unterschied zwischen Aktien-Value- und Credit-Value-Faktoren. Bei Aktien sind Value-Faktoren in der Regel eher einfach (z. B. Selektion von Aktien anhand ihrer Dividendenrendite). Im Vergleich dazu können wir den erwarteten Verlust einer Anleihe mit angemessener Genauigkeit schätzen, was es uns ermöglicht, ihren Fair Value relativ zu ihrem Kupon und dem Risiko zu messen.

Der Momentum-Faktor bei Unternehmensanleihen basiert auf dem Aktienkurs des Emittenten. Dieser Faktor funktioniert, weil die Kurse von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Aktienkursen langsamer auf neue Informationen reagieren. Bei Aktien vergleicht der Momentum-Faktor die jüngste Kursentwicklung des Wertpapiers und geht davon aus, dass sich der Trend fortsetzen wird. Daher sind die Mechanismen, durch die dieser Faktor in jeder Anlageklasse wirkt, sehr unterschiedlich.

Unterscheidungsmerkmal 3: Marktreife

Faktorlösungen für Aktien und Anleihen sind unterschiedlich ausgereift. Es gibt nur wenige aktive Akteure, die um Faktorprämien bei Unternehmensanleihen konkurrieren, und diese Akteure sind sich nicht einig über die verwendeten Faktoren und deren Definition. Außerdem gibt es nur sehr wenige Credit-Faktor-Indizes, von denen die meisten nicht eindeutig definiert sind. Die Merkmale dieser Indizes sind möglicherweise nicht für die Asset-Allokation aller Anleger geeignet, und es gibt nur wenige passive Lösungen, die zudem ähnliche Probleme aufweisen.

Ein zukünftiger Trend

Das faktor- oder stilbasierte Investieren ist in Aktienportfolios weit verbreitet und findet Anwendung in aktiven, passiven und Smart-Beta-Strategien. Bei festverzinslichen Wertpapieren steckt das Factor Investing jedoch noch in den Kinderschuhen. Studien zeigen, dass das Interesse an Faktorstrategien in den letzten Jahren zugenommen hat. Systematische Ansätze in dieser Anlageklasse könnten künftig auf eine steigende Nachfrage stoßen und erfahrenen Active-Factor-Managern Rückenwind verschaffen. Dementsprechend halten wir es für sinnvoll, dass Asset Owner sich mit Factor Investing in Unternehmensanleihen genauer beschäftigen.

Lesen Sie hier das vollständige Quoniam – White Paper (EN):

Autoren:
Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Portfolio Management

Dr. Maximilian Stroh
Head of Research

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