Klima im Fokus: Performance-Effekte einordnen und Aktien für eine nachhaltige Zukunft identifizieren
Bieten klimafreundliche Aktien eine Renditeprämie? Sollten sich Anleger auf vergangenheitsbezogene Daten verlassen oder sollten sie besser nach vorne blicken? Diese Fragen beantworten unsere Research-Experten Dr. Jieyan Fang-Klingler und Dr. Maximilian Stroh.
Sogenannte grüne Aktien haben in den vergangenen Jahren eine hohe Aufmerksamkeit erfahren. Gibt es eine Renditeprämie für klimafreundliche (grüne) Aktien?
Für einen ersten Eindruck, ob es in den vergangenen Jahren eine Renditeprämie für klimafreundliche Titel gab, vergleichen wir zuerst die Renditen grüner Aktien mit denen brauner Aktien. Um grüne und braune Aktien zu identifizieren, betrachten wir die CO2-Intensität (die CO2-Emissionen im Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens) von operativen direkten Emissionen und Emissionen durch Energiebedarf. Grüne Aktien sind das Drittel der Aktien mit der niedrigsten Carbon-Intensität. Braune Aktien sind das Drittel der Aktien mit der höchsten Carbon-Intensität. Die grüne Linie in Abbildung 1 zeigt die Rendite grüner Aktien abzüglich der Rendite brauner Aktien.
Zunächst sieht es so aus, dass klimafreundliche Titel in den vergangenen Jahren deutlich besser abschnitten: Grüne Aktien haben im Zeitraum von Januar 2013 bis September 2020 eine um 80 % bessere Performance erzielt als braune Aktien. Allerdings: Seit Oktober 2020 performten braune Aktien sogar insgesamt 20 % besser als grüne Aktien.
Developed Markets exkl. Financials: Grün-minus-Braun-Performance basierend auf Carbon-Intensität Scope 1 und Scope 2
Worauf können die Performanceunterschiede zurückgeführt werden?
Ein Blick auf die Titel in beiden Portfolios zeigt deutliche Unterschiede in der Sektorallokation. Das braune Portfolio zeigt zum Beispiel eine höhere Anzahl von Energieunternehmen und eine niedrigere Anzahl von Informations-technologieunternehmen als das grüne Portfolio.
Da das Grün-minus-Braun-Portfolio zu einer starken Sektorgewichtung führt, haben wir ein neues grün-braunes Portfolio konstruiert, in dem wir in allen Sektoren investiert bleiben und einen Best-in-Class-Ansatz nach Sektoren anwenden. Wir kontrollieren die Unterschiede in der Sektorallokation, sodass grüne/braune Aktien das Drittel der Aktien mit der niedrigsten/höchsten Carbon-Intensität innerhalb jedes Sektors sind. Im Fall von sektorneutralen Portfolios reduziert sich die Outperformance der grünen gegenüber den braunen Aktien im Zeitraum von Januar 2013 bis Juli 2022 von 45 % auf 15 % (siehe die blaue Linie in Abb. 1).
Zur weiteren Bewertung der Performance grüner gegenüber brauner Unternehmen bereinigen wir die klassischen Stilfaktoren von der Performance des Grün-minus-Braun-Portfolios anhand einer Regression, bei der die Renditen des Grün-minus-Braun-Portfolios anhand des Best-in-Class-Ansatzes auf Fama-French 5-Faktoren und dem Carhart-Momentum-Faktor regressiert werden. Der Performanceunterschied reduziert sich durch diese Bereinigung weiter. Grüne Aktien performen nur 9 % besser als braune Aktien im Zeitraum von Januar 2013 bis Juli 2022. Diese Outperformance ist statistisch nicht mehr signifikant.
Insgesamt haben wir gesehen, dass das Grün-minus-Braun-Portfolio in der Vergangenheit trotz starker Schwankung eine gute Performance erzielt hat. Allerdings ist die Outperformance der grünen gegenüber den braunen Aktien auf eine unterschiedliche Sektorallokation und die Korrelation zu klassischen Stilfaktoren zurückzuführen.
Ist eine Renditeprämie für klimafreundliche Aktien empirisch nachweisbar? Was ist für die zukünftigen Renditen grüner Unternehmen zu erwarten?
Ähnliche Analysen mit verschiedenen Klimavariablen haben ergeben, dass eine Renditeprämie für klimafreundliche Aktien empirisch nicht klar nachweisbar ist. Die Evidenz dafür ist im besten Fall schwach, oft auch gar nicht vorhanden. Wegen dem sehr kurzen Zeitraum für empirische Analysen und der schwachen empirischen Evidenz für die Renditeprämie können wir keine positive Renditeprämie für die Zukunft erwarten. Natürlich könnten grüne Titel in Zukunft sehr gut abschneiden, wenn sich Chancen und Risiken aus dem Klimawandel und der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft realisieren. Aber es handelt sich dabei eher um zukünftige Szenarien, nicht um eine empirisch bestätigte Stilprämie mit einem langen Untersuchungszeitraum wie Value oder Momentum.
Wie lassen sich klimafreundliche Aktien identifizieren?
Um klimafreundliche Aktien zu identifizieren, bieten sich zwei Möglichkeiten an: zum einen die systematische Analyse von vergangenheitsbezogenen Informationen – der Blick in den Rückspiegel. Dazu zählen etwa die Höhe der CO2-Emissionen des Unternehmens, die Veränderungen dieser Emissionen in den vergangenen Jahren sowie die CO2-Intensität, also die CO2-Emissionen im Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens. Solche Kennzahlen haben oft einen großen Einfluss auf die Gewichtung der Unternehmen in Klima-Indizes.
Alternativ lassen sich Daten nutzen, die Hinweise auf das Verhalten von Unternehmen in der Zukunft geben – quasi der Blick durch das Fernglas. Vorausschauende (oder ex-ante-) Maßnahmen liefern mehr Informationen über die potenzielle künftige Entwicklung der CO2-Emissionen, beispielsweise ob ein Unternehmen ein Klimaziel festgelegt hat. Wie viele grüne Patente – also Patente, die positiv zu einer nachhaltigen Transformation beitragen – hat das Unternehmen? Was plant das Management im Bereich saubere Technologien? Hierdurch lassen sich sogenannte Transformationskandidaten, also Unternehmen mit einem klaren Klimaziel, identifizieren.
„Firmen mit hohen Emissionen mögen auf den ersten Blick für nachhaltige Investoren aktuell nicht attraktiv sein. Diese Einschätzung kann sich jedoch mit dem Fernglas-Blick ändern.“
Dr. Jieyan Fang-Klingler,
Co-Head of Research Forecasts
Sollten Anleger in Unternehmen investieren, die derzeit niedrige Emissionen haben oder in Zukunft die größte Reduzierung erreichen können?
Diese Frage lässt sich nur durch eine gründliche Analyse der Klima-Daten beantworten. Im Zuge der Erarbeitung unserer dedizierten Klimastrategie haben wir im Rahmen eines Projektteams, welches aus Mitarbeitern unseres Research-Teams sowie ESG-Spezialisten besteht, verschiedene Zusammenhänge untersucht:
- zwischen den vergangenheitsbezogenen Klima-Daten und den zukunftsorientierten Klima-Daten sowie
- zwischen den zukunftsorientierten Klima-Daten und den zukünftigen CO2-Änderungen in verschiedenen Phasen und in verschiedenen Märkten.
Teile unserer Forschung wurden in einem Arbeitspapier veröffentlicht: „Back to the Future: The Role of Forward-looking Climate Metrics in Decarbonization Portfolios”.
Die Ergebnisse unserer Analysen zeigen zum Beispiel, dass Unternehmen mit Klimazielen in den Folgejahren ein geringeres Wachstum der Emissionen aufweisen als Unternehmen ohne Klimaziele (siehe Abb. 3).
Zukunftsorientierte Kennzahlen sind wichtig
Entscheidend ist: Beide Sichtweisen, also Rückspiegel und Fernglas, können zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Firmen mit hohen Emissionen mögen auf den ersten Blick für nachhaltige Investoren aktuell nicht attraktiv sein. Diese Einschätzung kann sich jedoch mit dem Fernglas-Blick ändern. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich diese Unternehmen Klimaziele gesetzt haben und/oder besonders stark in grüne Patente investieren.
Fazit
Ein einfacher Vergleich zwischen grünen und braunen Portfolios zeigt eine starke Outperformance des grünen Portfolios, gefolgt von einem starken Drawdown ab Oktober 2020. Eine detailliertere Analyse zeigt jedoch, dass die Performanceunterschiede auf die Sektorgewichtung und Korrelation zu klassischen Stilfaktoren zurückzuführen sind. Nach der Bereinigung von Sektorbias und Stilfaktoren sind die Performanceunterschiede eines grünen Portfolios gegenüber einem braunen nicht mehr statistisch signifikant. Ähnliche Analysen für andere Klima-Daten führen zu ähnlichen Ergebnissen.
Darüber hinaus lassen sich Klimarisiken und -chancen unterschiedlich messen. Ein Ansatz, wie er häufig bei Klimaindizes verwendet wird, ist die Verwendung von rückwärtsgerichteten Daten wie CO2-Emissionen oder CO2-Intensität. Alternativ lassen sich Daten nutzen, die Hinweise auf das Verhalten von Unternehmen in der Zukunft geben.
Unsere Research-Analysen zeigen, dass die Hinzunahme von zukunftsbezogenen Daten für eine Identifikation von Transformationskandidaten sinnvoll ist. Obwohl eine Renditeprämie auf Basis von Vergangenheitsdaten für grüne bzw. klimafreundliche Aktien empirisch nicht klar nachweisbar ist, könnten sich in Zukunft Chancen und Risiken aus dem Klimawandel und der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft realisieren.