Expertengespräch Klimarisiken: Signale analysieren, kombinieren und integrieren
Der Klimawandel ist die Herausforderung unserer Zeit. Auch Unternehmen und Investoren müssen sich mit diesem Problem und den damit verbundenen Risiken, aber auch Chancen auseinandersetzen. Im Gespräch mit Dr. Laura Jehl, Research Analyst bei Quoniam Asset Management.
Das Thema Klimarisiken spielt für Unternehmen eine immer größere Rolle. Welchen Stellenwert hat das Thema aber für Investoren?
Die Bedeutung wird immer größer, das erkennen wir auch an der verstärkten Nachfrage unserer Kunden. Investoren erkennen, dass ein ganz reelles finanzielles Risiko für Unternehmen entsteht. Selbst wenn wir es schaffen, die Klimaziele zu erreichen, ist das nur durch massive regulatorische Eingriffe möglich, etwa durch eine starke Erhöhung des Carbon-Preises.
„Kein Unternehmen und kein Investor kann es sich erlauben, Klimarisiken zu ignorieren.“
Dr. Laura Jehl
Research Analyst
Und wenn die Klimaziele nicht erreicht werden?
Wenn der Klimawandel ungehindert weitergeht, erhöhen sich natürlich auch die Risiken für Unternehmen. Dann haben wir es vor allem mit physischen Risiken zu tun, etwa Extremwetter-Ereignissen. Diese physischen Risiken werden mit Sicherheit langfristig noch relevanter – auch für Investoren. Das bedeutet: Kein Unternehmen und kein Investor kann es sich erlauben, Klimarisiken zu ignorieren. Auch deshalb findet das Thema mehr und mehr Einzug in unsere Standardstrategien.
Wie geht Quoniam als datenbasierter Quant-Manager an das Thema heran, gerade in Abgrenzung zu fundamentalen Managern?
Im Gegensatz zu fundamentalen Managern, bei denen Analyst*innen sich einzelne Unternehmen genau anschauen, versuchen wir eher, anhand von relevanten Daten Trends und Muster zu identifizieren. Unsere Expertise liegt dabei vor allem in der Analyse der Signale, aber auch in der ausgereiften Kombination der einzelnen Signale sowie in der Integration in unsere bestehenden Investment-Modelle.
Wie gehen Sie dann an die Daten heran und welche Herausforderungen stellen sich?
Wichtig ist es, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Das heißt, eine eingehende methodische und quantitative Analyse vorab. Wichtige Stichworte sind hier Verteilung der Daten, Abdeckung, Historie und ähnliches. Eine Herausforderung besteht etwa darin, dass einige der Daten oft nur für wenige Industriezweige relevant sind. Hat beispielsweise ein Unternehmen ein Risiko für Stranded Assets, etwa große Kohle- oder Ölreserven, die nicht gefördert sind? Wir versuchen, aufgrund historischer Daten eine Prognose abzugeben. Das ist schwierig, wenn die Daten nicht oder nur unzureichend zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere für Klimadaten.
Wie steht es um die Qualität der vorliegenden Daten?
Oft variieren die Daten von Anbieter zu Anbieter, da es noch wenige Standards gibt. Wir haben deshalb gerne Zugriff auf Rohdaten, nicht nur aggregierte Metriken oder Modellschätzungen. Aber selbst bei Treibhausgas-Emissionen können sich die Daten unterscheiden, etwa wenn Unternehmen keine Zahlen berichten, und Anbieter diese selbst schätzen müssen. Hinzu kommt, dass Klimadaten häufig zukunftsgerichtet sind. Bei der Frage, welchen Risiken ein Unternehmen durch den Klimawandel ausgesetzt ist, spielt neben aktuellen Kennzahlen auch die Szenarioanalyse eine große Rolle, bei der viele Annahmen ins Spiel kommen.
Sie haben jetzt eine spezielle Klima-Strategie entwickelt. Was können Investoren erwarten?
Wir wollen mit der Strategie die Klimarisiken im Portfolio reduzieren. Aber wir wollen auch in Transformationskandidaten investieren, also in die Unternehmen, die gut gerüstet sind, um ihre Emissionen langfristig zu reduzieren und durch neue Technologien und Geschäftsmodelle die Chancen des Klimawandels nutzen. Das Erstaunliche ist, dass viele Unternehmen, die aktuell hohe Emissionen aufweisen, aus Portfoliosicht trotzdem interessant sind.
„Firmen mit niedrigen Emissionen im Portfolio reichen nicht aus. Wir wollen Unternehmen mit gutem Renditepotenzial, die auch gute Transformationskandidaten sind.“
Dr. Laura Jehl
Research Analyst
Das müssen Sie uns genauer erklären.
Nicht alle Signale bewerten dieselben Unternehmen als „grün“ oder „braun“ – zum Beispiel haben Unternehmen mit hohen Emissionen oft eine bessere Bewertung bezüglich zukunftsgerichteter Kennzahlen wie etwa einem Carbon Emission Management Score oder der Anzahl von Patenten zu klimarelevanten Technologien. Das muss bei der Konstruktion von Signalen berücksichtigt werden. Das bedeutet letztendlich, dass es nicht ausreicht, nur Firmen ins Portfolio zu holen, die niedrige Emissionen aufweisen. Wir wollen vielmehr Unternehmen mit einem guten Renditepotenzial, die aber entsprechend der Metriken auch gute Transformationskandidaten sind.
Gestatten Sie noch eine Frage zu Ihrer Person. Woher kommt das spezielle Interesse für diese Thematik?
Zunächst habe ich Geisteswissenschaften, genauer gesagt Philosophie, Sinologie und Germanistik studiert, hatte aber schon immer eine Affinität zu technischen Themen. Daher habe ich anschließend ein Master-Studium in Schottland angehängt, das beide Aspekte gut miteinander verknüpft hat. Es ging vor allem um maschinelle Sprachverarbeitung, Verknüpfung von Sprache und technischen Aspekten. Es folgte die Promotion in Heidelberg am Institut für Computerlinguistik.
Und wie verschlug es Sie zu Quoniam Asset Management?
Ich kann hier vor allem in meinem Fachgebiet arbeiten. Bei Quoniam wird bekanntlich viel mit datenbasierten Signalen gearbeitet. Traditionell betrifft das Bilanzkennzahlen, die in der Regel strukturiert aufbereitet sind. Bei Quoniam wird, auch um sich von anderen Anbietern abzuheben und weil die technischen Möglichkeiten in diesem Bereich größer geworden sind, aber auch an alternativen, unstrukturierten Textdaten gearbeitet. Da passt meine Expertise sehr gut rein.
Sie haben diese Expertise jetzt noch erweitert…
Ja, seit Ende 2020 beschäftige ich mich bei Quoniam im Research-Team neben dem Thema alternative Daten intensiv auch mit nachhaltigem Investieren. Für mich persönlich ist das Thema relevant, zum einen da es für mich sinnstiftend ist, und zum anderen, da hier viele Chancen für neue Produkte entstehen, die nicht mehr nur am Return gemessen werden, sondern auch an ihren gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen. Beispielsweise messen wir in unserem SDG-Produkt, inwieweit Unternehmen Aktivitäten verfolgen, die auf die SDGs („Sustainable Development Goals“) der Vereinten Nationen einzahlen.
Kann man unstrukturierte Daten auch im Bereich Klima nutzen?
Im Moment verwenden wir nur die klassischen Daten, allerdings gibt es Anstrengungen von Seiten der Forschung, von Datenanbietern, aber auch von unserer Seite, die Datenlage zu verbessern, und auch unstrukturierte Daten wie Nachrichtenartikel, Earnings-Calls und Unternehmensberichte für zusätzliche Informationen zu nutzen und zu filtern.
Gibt es ausreichend Daten oder würden Sie sich noch mehr wünschen?
Die Datenlage gerade beim Thema Klima ist tatsächlich zum Teil sehr heterogen. Was sich alle Marktteilnehmer langfristig sicher wünschen würden, wäre ein wirklich verpflichtendes Reporting zu dem Thema, das auch vereinheitlicht ist, damit es weniger Möglichkeiten für Greenwashing gibt. Diese Vereinheitlichung der Daten ist gerade angesichts der wahrscheinlich stärkeren Regulierung im Bereich der Klimaberichterstattung wünschenswert. Wichtig ist aus meiner Sicht aber auch, dass die Daten allgemein zugänglich sind. Bislang sind wir oftmals auf die Datenanbieter angewiesen. In diesem Bereich, denke ich, gibt es noch ganz interessante Schätze zu heben.