Führt Tapering zu steigenden Preisen?

Mit der Erholung der Wirtschaft werden Stimmen lauter, die geldpolitische Unterstützung zurückzufahren. Drohen weitere Zinsanstiege? Die vergangenen Jahre zeigen, dass US-Zinsen in Phasen von Anleihekäufen gestiegen sind, bei der Reduktion von Kaufprogrammen oder der Fed Bilanz hingegen fielen. Es gibt daher keine Indikation, dass ein Rückgang der Bondkäufe negativ für Bondpreise sein muss.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Portfolio Management

Seit der Finanzkrise 2008/09 unterstützen Zentralbanken weltweit die Kapitalmärkte durch Anleihekäufe. Die Federal Reserve (Fed) führt im Zuge der Coronakrise seit März 2020 ihr viertes „Quantitative Easing“ (QE)-Programm durch. QE4 wurde zudem von weitreichenden fiskalischen Stimulusprogrammen begleitet, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu mildern. Im Zuge der Erholung, die durch die fortschreitende Impfkampagne Form annimmt, sind Zinsen und Inflationserwartungen gestiegen. Entsprechend werden auch innerhalb der amerikanischen Zentralbank zunehmend Stimmen laut, die Bondkaufprogramme sukzessive zurückzufahren („Tapering“).

PHASEN VON QUANTITATIVE EASING
QE1Dezember 2008 bis März 2010
QE2November 2010 bis Juni 2011
QE3September 2012 bis Oktober 2014
QE4März 2020

Einige Investoren befürchten negative Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Bondmärkte, da in diesem Fall ein großer Bondkäufer wegfällt. Daher stellt sich die Frage, was für die Zinsen von Staatsanleihen zu erwarten ist, sollten die Anleihekäufe der Fed zurückgefahren werden. Ein Blick auf die Auswirkungen der bisherigen vier QE-Episoden auf die Zinsen enthüllt allerdings ein überraschendes Bild.

Wie aus Abbildung 1 zu ersehen ist, sind in allen vier Phasen des Quantitative Easing der Fed die zehnjährigen US-Zinsen gestiegen.


QE1: von ca. 2,6 % auf fast 4 %
QE2: von ca. 2,5 % auf 3,2 %
QE3: von ca. 1,75 % auf 2,35 %


QE1 und QE2 liefen nach Erreichen der Zielsumme der Fed-Käufe aus. QE3 wurde allerdings nicht abrupt beendet, sondern durch einen graduellen Rückgang der Käufe bis auf null abgeschlossen. Die genannte Zinsbewegung enthält damit auch die Phase der Kaufreduktion. Obwohl QE4 noch nicht ausgelaufen ist, ist auch hier ein deutlicher Zinsanstieg zu verzeichnen.

Zehnjährige US-Zinsen während Quantitative Easing
Abb. 1: Die Abbildung zeigt die Rendite zehnjähriger US-Treasurybonds (rechte Skala) und die Bilanzsumme der US Federal Reserve in Billionen USD (linke Skala). Die grauen Bereiche sind Phasen, in denen die Quantitative Easing-Programme der Federal Reserve aktiv waren. Quelle: Bloomberg L.P., Federal Reserve Bank of New York
Zehnjährige US-Zinsen während Tapering und Bilanzreduktion der Fed
Abb. 2: Die Abbildung zeigt die Rendite zehnjähriger US-Treasurybonds (rechte Skala) und die Bilanzsumme der US Federal Reserve in Billionen USD (linke Skala). Die grauen Bereiche sind Phasen, in denen die Federal Reserve entweder ihre Kaufprogramme zurückgeführt hat oder aktiv ihre Bilanz reduziert hat. Quelle: Bloomberg L.P., Federal Reserve Bank of New York

Das Ende von QE1 und QE2 führte jeweils zu einem massiven Zinsrückgang. Betrachtet man das Tapering von QE3 und die aktive Reduktion der Fed-Bilanz von Januar 2018 bis Juli 2019, kann man eine Indikation erhalten, was ein Zurückfahren des aktuellen Kaufprogramms an Zinsbewegung nach sich ziehen könnte. Zwar hat die Ankündigung des Tapering von QE3 in Q2/2013 zu einem deutlichen Zinsanstieg geführt, die tatsächliche Rückführung des Kaufprogramms wirkte aber zinssenkend. Während des Tapering im Jahr 2014 sanken die zehnjährigen US-Zinsen von 2,9 % auf 2,35 %. Auch die aktive Bilanzsummenreduktion 2018/19 zog fallende Zinsen nach sich. So sanken die Treasury Zinsen zwischen Januar 2018 und Juli 2019 um einen vollen Prozentpunkt von 2,85 % auf 1,85 %.

Diese Bewegung wirkt zunächst kontraintuitiv, da das Wegfallen eines großen Käufers fallende Preise und damit steigende Zinsen impliziert.

Allerdings gibt es weitere indirekte Effekte, die dem Wegfallen der Zentralbanknachfrage entgegenwirken und es möglicherweise überkompensieren. Da ein großer Anteil der monetären Stimuli in Risiko-Assets wie Aktien geflossen ist, bedeutet ein Ende der Fed-Käufe auch Gegenwind für deren Preise. Dies kann zu Portfolioumschichtungen von Investoren führen hin zu risikoärmeren Staatsanleihen („Flucht in sichere Häfen“). Dieser Substitutionseffekt wirkt zinssenkend. Auch besteht die Möglichkeit, dass Staaten ihre Bondemissionen reduzieren, wenn ein großer Nachfrager ausfällt, zumal die Reduktion der Bondkäufe mit wirtschaftlicher Erholung und damit weniger Bedarf an fiskalischem Stimulus einhergeht. Es ist damit alles andere als klar, dass ein Rückgang der Bondkäufe der Fed sich erhöhend auf die Renditen von US-Staatsanleihen auswirkt. Nimmt man die Vergangenheit als Maßstab, könnten die Zinsen sogar fallen, sobald die Fed ihre Unterstützung zurückfährt. Als globaler Leitmarkt hätte dies auch Auswirkungen auf andere Zinsmärkte wie Europa.