Marktkommentar Aktien: Wie kann aktives Management in stark konzentrierten Aktienmärkten funktionieren?
Durch die anhaltende Zunahme der Marktkonzentration stellen sich viele Anleger die Frage: Was kann aktives Management in diesem Umfeld leisten? Quoniams Aktien-Portfoliomanager Andjelka Bannes, CFA, und Mark Frielinghaus, CFA, analysieren die aktive Performance globaler Aktienmanager in den letzten fünf Jahren vor dem Hintergrund zunehmender Marktkonzentration und stellen neue Erkenntnisse und praktische Strategien zur Steuerung der Indexkonzentration und zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Portfolios vor.
Indexkonzentration hält unvermindert an – ein historischer Rückblick
Die Indexkonzentration stellt eine große Herausforderung für das moderne Portfoliomanagement dar und betrifft sowohl aktive als auch passive Anleger. Wenn eine kleine Anzahl von Unternehmen zunehmend die wesentlichen Aktienindizes dominiert, können die mit dieser Konzentration verbundenen Risiken die Vorteile der Diversifizierung untergraben und die Volatilität des Portfolios erhöhen.
Die Indexkonzentration lässt sich über verschiedene Zeiträume zurückverfolgen:
- 1960er und frühe 1970er Jahre – die „Nifty Fifty“, eine Gruppe von Large-Cap-Aktien wie IBM, Coca-Cola und McDonald’s, galten aufgrund ihrer starken Wachstumsaussichten als alternativlose Aktien. Ihre Vorherrschaft endete jedoch Mitte der 1970er Jahre, was zum Teil auf ihre hohen Bewertungen zurückzuführen war, als sich das Marktumfeld änderte.
- 1990er Jahre – der Aufstieg von Technologieriesen wie Microsoft, Cisco und Intel während der Dot-Com-Blase trieb den S&P 500 zu neuen Höhenflügen. Diese Zeit endete mit dem Platzen der TMT-Blase in den Jahren 2000-2001, was zu erheblichen Rückgängen bei technologielastigen Indizes führte.
- Nach der Finanzkrise 2008 entstanden die FAANMG-Aktien Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Microsoft und Google, die sich mit Nvidia und Tesla zu den „Mag 7“ wandelten. Diese 7 großen Technologieunternehmen machen einen beträchtlichen Teil des S&P 500 und des MSCI World aus und setzen damit den Trend des konzentrierten Markteinflusses fort.
Heute haben die Mag-7-Giganten einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der wichtigsten Indizes. Im Jahr 2015 machten die Mag 7 nur einen kleinen Teil der gesamten Marktkapitalisierung des Index aus. Bis 2024 hat sich ihr Anteil dramatisch erhöht, da die Mag 7 in diesem Zeitraum um 600% im Kurs gestiegen sind, während die übrigen 1.400 Aktien im Index “lediglich” um 100% gestiegen sind.
Auch in jüngster Zeit war die Performance der Mag-7-Aktien überwältigend. Bis Juli 2024 gab es in den letzten 18 Monaten 10 positive Monatsrenditen von mehr als 5%, während nur in einem Monat ein Rückgang von mehr als 5% zu verzeichnen war.
Das folgende Schaubild zeigt die Entwicklung der Konzentration in entwickelten und aufstrebenden Märkten über mehr als 30 Jahre.
Abbildung 1: Gewicht der zehn größten Aktien im MSCI World und MSCI EM Index
Die Historie zeigt, dass die Emerging Markets in den frühen 2020er Jahren, bevor es zu einer scharfen Korrektur kam, eine noch höhere Konzentration aufwiesen. In den Developed Markets, angeführt vom US-Aktienmarkt, ist die Konzentration dagegen auf neue Höchststände gestiegen.
Erst im zweiten Quartal übertraf die Indexkonzentration in den entwickelten Märkten zum ersten Mal in der Geschichte die in den Schwellenländern. Es überrascht nicht, dass die Performance der Mag 7 mit hohen zweistelligen Renditen im bisherigen Jahresverlauf hervorragend war, während der S&P-Index in der ersten Hälfte des Jahres 2024 „nur“ 15% zugelegt hat. Der einzige Rückschlag innerhalb der berühmten Gruppe kam von Tesla, das im Jahr 2024 eine negative absolute Rendite erzielte, da Nachfrage und Preisentwicklung auf dem Markt für Elektrofahrzeuge die Anleger enttäuschten.
Ist aktives Management in der Mag-7-Ära erfolgreich?
Auch wenn ein solches Konzentrationsniveau historisch gesehen wahrscheinlich nicht von unbegrenzter Dauer ist, stehen die Anleger eindeutig vor der Herausforderung, sich im aktuellen Marktumfeld zurechtzufinden, in dem die Dominanz dieser Unternehmen im Zuge des KI-Booms auf absehbare Zeit anhalten könnte.
Die Indexkonzentration ist insbesondere eine Herausforderung für aktive Manager, da diese Large-Cap-Aktien häufig untergewichten, um Positionen in anderen attraktiven Titeln einzugehen. Daher stellen viele Anleger aktuell die Effektivität des aktiven Managements infrage und zweifeln am Erfolg aktiver Aktienauswahl.
Wir haben die von eVestment veröffentlichte durchschnittliche Performance der globalen All-Cap-Aktienmanager in den letzten fünf Jahren analysiert. Wie die nachstehende Grafik zeigt, war die relative Wertentwicklung gegenüber dem MSCI World negativ. Nur in zwei Perioden erzielten aktive Manager eine Outperformance: bei der COVID-19-Erholungsrallye und bei der Value-Rallye zu Beginn des Ukraine-Krieges. Trotz dieser kurzen Outperformance-Perioden war die Gesamtperformance tendenziell rückläufig.
Abbildung 2: Aktive Manager hatten in den vergangenen 5 Jahren mit Performanceschwierigkeiten zu kämpfen
Hat die aktive Aktienauswahl versagt?
Wir haben genauer untersucht, ob ein faktorbasierter Investmentansatz, der sich auf Value, Qualität und Momentum konzentriert, in den letzten fünf Jahren erfolgreich war.
Wir sortierten die 1.000 größten US-Aktien nach diesen Kriterien und teilten sie in fünf Portfolios ein. Ohne Berücksichtigung der Mag-7-Titel (siehe Diagramm links unten) schnitten die Portfolios, die anhand von Low-Alpha-Signalen erstellt wurden, schlechter ab als die Benchmark, während die High-Alpha-Titel eine bessere Performance erzielten. Die Rendite ist linear: Je höher das Alpha, desto höher die Rendite. Das deutet auf die Wirksamkeit dieser Methode der aktiven Aktienauswahl hin.
Das Ergebnis ändert sich jedoch drastisch, wenn die Mag 7 in die Analyse einbezogen werden (siehe Grafik rechts unten). Obwohl der Trend bestehen bleibt, dass Portfolios mit höherem Alpha besser und solche mit niedrigerem Alpha schlechter abschneiden, übertrifft keines der Portfolios die Benchmark. Dieser deutliche Unterschied unterstreicht den überwältigenden Einfluss der Mag 7 auf die jüngste Marktentwicklung. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass aktive Aktienselektionsmodelle funktionieren. Aber sie machen auch deutlich, dass die Anleger ihre Portfoliokonstruktionsmethoden überdenken müssen, um ein Engagement in die Mag 7 einzubeziehen, wenn sie erwarten, dass diese Aktien weiterhin eine überdurchschnittliche Performance erzielen werden.
Abbildung 3: Mega-Caps-Performance dominiert die ansonsten erfolgreiche Aktienauswahl
Mit zunehmendem Abweichungsrisko sinkt die erwartete Überrendite – insbesondere in stark konzentrierten Märkten
Ein diversifiziertes Long-Only-Portfolio gewichtet in der Regel Large-Cap-Aktien unter, um das Kapital für andere attraktive Möglichkeiten in einem breiten Spektrum von Marktkapitalisierungen einzusetzen. Ein großes Investment in einige wenige Large-Cap-Titel verringert das für andere Anlagen verfügbare Kapital. Folglich ist ein diversifiziertes Portfolio, das eine ausgewogenere Allokation anstrebt, im Vergleich zur Benchmark bei den Large Caps meist untergewichtet. Je aktiver die Strategie ist, desto größer wird diese Untergewichtung.
Wir haben den Trade-off zwischen Risiko und Ertrag aktiver Strategien insbesondere im Umfeld hoher Konzentration untersucht. In der folgenden Grafik zeigt sich der deutliche Rückgang der risikoadjustierten Rendite bei steigendem Tracking Error. Grundlage der hier abgebildeten Effizienzlinie sind die Ergebnisse wiederholter Optimierungen innerhalb eines Multifaktor-Ansatzes im Vergleich zu einer marktkapitalisierten Benchmark. Die Signalstärke misst hier eine Outperformance-Erwartung anhand des Renditeprognosemodells. Bei steigendem Abweichungsrisiko werden die zusätzlichen Erträge geringer. Somit beobachten wir eine sinkende Information Ratio (hier: Signalstärke/Tracking Error). Durch die Änderung der Konstruktionsmethode von Long-Only auf Active Extension (130/30) lässt sich dieser negative Effekt kompensieren. Durch die effiziente Modellumsetzung inklusive negativer Prognosen erreicht man dadurch eine vergleichbare risikoadjustierte Rendite wie in einem durchschnittlichen Core-Ansatz.
Abbildung 4: Ohne Active Extension sinkt die riskoadjustierte Rendite bei steigendem Tracking Error
Welche Alternativen stehen den Anlegern zur Verfügung?
- Eine Möglichkeit besteht darin, an der eigenen aktiven Strategie festzuhalten und gezielte Untergewichtungen in konzentrierten Marktsegmenten in Kauf zu nehmen, um spezifische Übergewichtungen in bevorzugten Aktien zu finanzieren. Dieser Ansatz erfordert eine klare Übereinstimmung von Asset Manager und Asset Owner über Rendite- und Risikoziele mit definierten Benchmarks als Entscheidungsgrundlage. Vor allem aber erfordert er Ausdauer, Beharrlichkeit und die Überzeugung, dass sich im Laufe der Zeit eine Rückkehr zum langfristigen Mittelwert einstellen wird.
- Eine weitere Möglichkeit bietet eine Strategie mit begrenztem Tracking Error, wie z.B. Enhanced Indexing: Diese stellt einen ausgewogenen Ansatz für Anleger dar, die eine möglichst geringe Abweichung von der Benchmark-Performance anstreben und gleichzeitig zusätzliche Renditen gegenüber passiven Strategien erzielen möchten. Sie behält ein vergleichbares Größenengagement und Konzentrationsniveau bei und optimiert gleichzeitig die Renditebei begrenzter Abweichung von der Benchmark.
- Eine dritte Möglichkeit besteht darin, durch eine besondere Art der Portfoliokonstruktion ein höheres Alpha zu erzielen, indem eine Active-Extension-Strategie (z. B. 130/30) angewendet wird. Diese Strategie zeichnet sich zwar durch einen höheren Tracking Error aus, erreicht jedoch ein Größen- und Konzentrationsniveau, welches weniger von der Benchmark abweicht als bei einer aktiven High Conviction Long-Only-Strategie. Active Extension erreicht zudem eine höhere Gewichtung in Alpha-Faktoren als eine Long-Only-Strategie. Sie ist ideal für Anleger, die durch aktives Management hohe relative Renditen anstreben, ohne sich auf die künftige Wertentwicklung einer kleinen Anzahl konzentrierter Aktien festlegen zu müssen.
Abbildung 5: Active Extension kann in konzentrierten Märkten höhere aktive Renditen bieten, während eine enge Positionskontrolle (Enhanced Indexing) eine attraktive Alternative zu passiven Anlagen darstellt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Indexkonzentration im derzeitigen Marktumfeld eine große Herausforderung darstellt, die sowohl aktive als auch passive Anleger betrifft, da sie die Volatilität des Portfolios erhöht und die Diversifizierungsvorteile untergräbt.
Wir haben mehrere Strategien vorgestellt, um diese Herausforderungen zu bewältigen: Beibehaltung eines traditionellen aktiven Ansatzes mit einem langfristigen Anlagehorizont; Anwendung einer Strategie mit geringem Tracking Error, wie z. B. Enhanced Indexing, um die Benchmark-Performance zu erreichen und gleichzeitig die Rendite selektiv zu steigern; und Suche nach einem höheren Alpha durch eine Active-Extension-Strategie ohne signifikante Größen- und Konzentrationsabweichungen von der Benchmark.