USD IG Credit nach der US-Wahl – Faktoransätze sind gut positioniert
Donald Trump ist der 47. Präsident der USA. Mit einem klarer als erwarteten Ergebnis besiegte der republikanische Kandidat seine demokratische Konkurrentin Kamala Harris und kann aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress voraussichtlich durchregieren. Was ist dadurch für die Assetklasse USD Investment Grade (IG) Credit zu erwarten und wie kommen Faktoransätze mit dem zu erwarteten Politikwechsel klar?
Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy
Die lange erwartete US-Präsidentschaftswahl ist vorbei. Entgegen den Befürchtungen mancher Beobachter war die Verkündigung des Ergebnisses keine tagelange Hängepartie, sondern ein deutliches Ergebnis. Donald Trump gewann nicht nur die Mehrheit der Wahlmänner einschließlich Siegen in allen sogenannten „Swing States“, sondern auch die absolute Mehrheit aller abgegebenen Stimmen.
Gleichzeitig konnten die Republikaner einige der zur Wahl stehenden Senatssitze von demokratischen Amtsinhabern erobern und eine Mehrheit im Senat erreichen. Da voraussichtlich auch das vollständig neugewählte Repräsentantenhaus in republikanischer Hand ist, kann die neue US-Regierung ab Januar regieren, ohne Kompromisse mit den Demokraten eingehen zu müssen.
Herausforderungen im Asset-Management
Während auf der politischen Bühne die Analysen über Gründe und politische Implikationen des Wahlergebnisses noch in vollem Gang sind, geht der Blick des Kapitalmarkts bereits nach vorne:. Asset-Manager stehen vor der Aufgabe, eine Antwort auf viele weitere Fragen zu finden und ihre Portfolios entsprechend zu positionieren. Die Komplexität der Aufgabe wird klar, wenn man sich folgenden Auszug der relevanten Fragen anschaut:
- Welche Politik wird die neue Regierung verfolgen und was sind die Implikationen für die Weltwirtschaft und einzelne Sektoren und Unternehmen? Wird Trump wie in seiner ersten Amtszeit und wie die Demokraten unter Biden massive Haushaltsdefizite planen und die US-Zinsen in die Höhe treiben? Oder wird er entgegen den Erwartungen den Kampf gegen die Inflation, die vielen Menschen den Alltag erschwert, annehmen? Wie wird die Federal Reserve reagieren? Und was macht der Bondmarkt im Falle eines weiteren Anstiegs der Neuverschuldung?
- Welche Sektoren werden profitieren? Werden Umweltauflagen, die die heimische Öl- und Gasproduktion eingeschränkt haben, aufgehoben? Wird es Änderungen im Gesundheitssystem geben mit Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung vieler privater Anbieter? Und welchen Stellenwert hat der Technologiesektor unter Präsident Trump, der offen für Kryptowährungen eintritt und Elon Musk Teil seiner Regierung machen will?
- Wie wird das Verhältnis zum Rest der Welt sein? Wie lange wird Trumps im Wahlkampf geäußerte Einsicht anhalten, dass Sanktionen nur den US-Dollar schwächen? Oder wird er zur Politik Bidens und seiner ersten Amtszeit zurückkehren, Konkurrenten der US-Industrie und geopolitische Rivalen mit Sanktionen zu überziehen? Wird er seine Drohung wahrmachen, Zölle als politisches Druckmittel einzusetzen oder gilt auch hier der berühmte Satz, dass nirgendwo so viel gelogen wird wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd?
Aus den genannten Fragen wird klar, dass viele Antworten unklar sind und Fehleinschätzungen zu mancher dieser Fragen zu erwarten sind. Das aktuelle Umfeld erfolgreich zu navigieren, wird eine entscheidende Voraussetzung für Asset-Manager sein, den Marktdurchschnitt zu schlagen und Mehrwert für ihre Kunden zu liefern.
Funktionsweise quantitativer Strategien
Fundamentale Asset-Manager entwickeln Meinungen und passen diese mit dem Fortschritt der Regierungsbildung an. Der Anspruch quantitativer Ansätze ist es hingegen, Faktorprämien zu vereinnahmen, die unabhängig von den allgemeinen politischen Rahmenbedingungen verdient werden können. Ein Blick in die Historie zeigt, dass US-Präsidentschaftswahlen in der Vergangenheit zu keinen strukturellen Änderungen in den Faktorerträgen und den Faktorvolatilitäten geführt haben.
Abbildung 1: Historische Faktorrenditen und Volatilitäten
Wie aus Abbildung 1 erkennbar, unterscheiden sich die Returns systematischer Faktoren im Wahlmonat nicht systematisch von den Monaten davor und danach – trotz Überraschungen wie dem Wahlergebnis 2016. Auch die Volatilität dieser Faktor-Returns hat um die Wahl herum nicht angezogen. Das Niveau der Volatilität wird vielmehr von anderen Ereignissen wie der globalen Finanzkrise oder der Covid-Pandemie beeinflusst.
Im Gegensatz zu fundamentalen Managern, die auf subjektive Einschätzungen zurückgreifen, setzen quantitative Credit-Manager eine Reihe systematischer Faktoren ein, die Änderungen am Markt abgreifen. Dazu gehören unter anderem:
- Aktienmomentum – systematische Credit-Manager nutzen Informationen aus der Aktienkursbewegung zur Prognose der Bondspread-Entwicklung. Hintergrund ist die empirische Beobachtung, dass sich für den Großteil aller Unternehmen Informationen schneller und vollständiger im Aktienpreis widerspiegeln als im Bondpreis. Dieser ist oft langsamer in seiner Reaktion, sodass ein Blick auf die Aktienentwicklung Rückschlüsse auf die künftige Bondentwicklung zulässt.
- Value – quantitative Ansätze versuchen systematisch über das gesamte Universum zu bewerten, welche Bonds über- und unterbewertet sind. Zur Bestimmung des fairen Werts wird eine Vielzahl an Informationen berücksichtigt – von langfristig wirksamen Bilanzkennzahlen zu kürzerfristigen Aktienkennzahlen und Analystenschätzungen. Diese Informationen reflektieren auch Änderungen, die sich aus dem politischen Umfeld ergeben. Es lässt sich empirisch zeigen, dass Märkte mittelfristig diese Fehlbewertungen korrigieren.
Als Beispiel sei der Energiesektor in den USA herangezogen. Nach Trumps Wahlsieg und den Aussagen zu einer Unterstützung heimischer Öl- und Gasproduktion legten die Aktien von US-Ölförderern am Folgetag kräftig zu. Credit-Spreads des US-amerikanischen Energiesektors engten sich um 4,7 Basispunkte ein, während der Markt 4 Basispunkte zurückging. Das durchschnittliche Momentum-Signal der US-Unternehmen des Sektors stieg auf einer Skala von 0 % für die schlechteste bis 100 % für die beste Prognose innerhalb eines Tages um 0,9 Prozentpunkte, was eine enorme Eintages-Bewegung darstellt. Das Value-Signal hingegen verschlechterte sich um 0,5 Prozentpunkte, da der Rückgang der Spreads nicht unmittelbar mit einem Rückgang der Fundamentalkennzahlen einherging. Beim Value-Signal wird der Marktspread einem fairen Spread gegenübergestellt. Hier reagierte der Marktspread schneller, was zu einem Rückgang des Value-Signals führte.
Abbildung 2: Spread- und Prognoseveränderung von US-Energieunternehmen
Wenn sich über die Zeit zeigt, dass die positive Stimmung in besserem Aktienrisiko, höheren Analystenschätzung und höheren Ergebnissen der Unternehmen endet, wird auch der Value-Faktor anziehen. Wenn sich die Einschätzung des Marktes als falsch herausstellt, wird das Aktien-Momentum nachlassen und das Faktorsignal nach unten drücken. In beiden Fällen erkennt die Faktorprognose die tatsächliche Entwicklung der Unternehmen.
Allgemein können systematische Ansätze gut längerfristige Trends abgreifen, wie sie oft innerhalb eines politischen Zyklus anzutreffen sind. Es ist wenig wahrscheinlich, dass bestimmte industriepolitische Ziele und Maßnahmen innerhalb eines Regierungszyklus mehrfach geändert werden. Da Entwicklung, Implementierung und Wirkung politischer Maßnahmen Zeit brauchen, sind vierjährige Wahlzyklen oft von stabilen Trends gekennzeichnet. Dies kommt Faktoransätzen zugute.
US Dollar IG Credits sind mit dem 06. November 2024 in einen neuen Abschnitt des politischen Zyklus eingetreten. Welche Regionen, Sektoren und Unternehmen ¬davon profitieren und welche darunter leiden werden, wird die Zukunft zeigen. Was wir heute schon sagen können, ist, dass systematische Faktoransätze gut positioniert sind, auch diesen Wechsel in der politischen Landschaft erfolgreich zu meistern.