Quant-Frühling – ein neues Marktregime, das quantitative Credit-Ansätze bevorzugt

Die Zeiten billigen Geldes mit Negativzinsen und Anleihekaufprogrammen der Zentralbanken sind vorbei. In Zukunft werden Marktkräfte bei der Bestimmung von Asset-Preisen und der Bewertung von Chancen und Risiken an den Märkten wieder eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Auswirkungen auf das Asset Management sind tiefgreifend – und dürften quantitative Ansätze begünstigen.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

Nach vielen Jahren niedriger und negativer Zinsen und umfangreicher Marktinterventionen der Zentralbanken haben sich die Märkte im Jahr 2022 grundlegend verändert. Da die Staatsausgaben als Reaktion auf die Corona-Pandemie den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreichten, stieg die Inflation nach vielen Jahren deflationären Drucks sprunghaft an. Infolgedessen änderte die Geldpolitik ihre Richtung von der Unterstützung der Märkte durch Null- oder negative Zinsen und massive Liquiditätsspritzen („quantitative Lockerung“) hin zu einem negativen Faktor für Returns durch rasch steigende Zinssätze und eine Verringerung der Zentralbankbilanzen. Aus einem Einbahnstraßenmarkt mit sinkenden Zinsen und Spreads wurde plötzlich eine volatile Kombination aus steigenden Zinsen und volatilen Credit-Spreads.

Auch das politische Umfeld hat sich dramatisch verändert. Mit Einsatz des Währungs- und Finanzsystems als Waffen sind Globalisierung und Pax Americana zu Ende gegangen und eine multipolare Weltordnung entsteht. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die importierte Inflation, Kosten und Sicherheit von Lieferketten und die Energiesicherheit. Die Welt hat sich unumkehrbar verändert, was sich in Inflationsdruck und steigenden Zinsen niederschlägt.

Dies wird sich in den kommenden Jahren erheblich auf Investitionen in Investment-Grade-Credit-Strategien auswirken. Anlagestile für Unternehmensanleihen, die im bisherigen Marktregime gut funktioniert haben, müssen sich an die neue Anlagewelt anpassen, während systematische Credit-Strategien besonders gut positioniert sind, um im neuen Marktumfeld eine starke Performance zu erzielen. Wir sehen folgende Veränderungen an den Märkten:

Alte Ära: Carry ist König – neue Ära: Carry ist (wieder) riskant

Da die Zentralbanken einen impliziten Put auf Asset-Preise geschrieben hatten, war jeder Preisrückgang eine Gelegenheit, Risikopositionen zu erhöhen und von der unvermeidlichen Erholung zu profitieren. Die risikoreichsten IG-Credit-Strategien mit hohem High-Yield-Anteil, aggressiver Beta-Positionierung und Long-Carry-Positionen schnitten in diesem Umfeld am besten ab.

Abbildung 1 zeigt die Abhängigkeit der Richtung des Spreads zwischen traditionellen fundamentalen Strategien und der quantitativen Faktorstrategie von Quoniam, die dem folgenden White Paper entnommen wurde: Diversifikation von Kreditportfolios mit Faktorinvestments.

Abbildung 1: Alpha-Abhängigkeit von fundamentalen und quantitativen Strategien

Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Wie man aus der Abbildung erkennen kann, ist das gewichtete Alpha der fundamental gemanagten Fonds im Universum hoch, wenn sich die Markt-Spreads einengen, und negativ, wenn sich die Spreads ausweiten. Die quantitative Strategie ist viel weniger abhängig von der Marktrichtung und erzielt in allen Marktumgebungen eine positive Performance. In der neuen Investmentwelt, in der die Volatilität der Spreads zunimmt, wird diese Unabhängigkeit die Performance stabilisieren und dazu beitragen, große Drawdowns zu vermeiden.

Alte Ära: Risikomanagement ist ein Kostenfaktor – neue Ära: Risikomanagement ist unverzichtbar

Seit Beginn der Liquiditätsunterstützung der Märkte durch den massiven Ankauf von Anleihen durch die Zentralbanken waren Krisenphasen nur von kurzer Dauer und relativ seicht. Anleger, die beispielsweise im März 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ihre risikoreichsten Positionen verkauften, bereuten ihre Entscheidung nur wenige Wochen später, als sich die Märkte stark erholten und in den darauffolgenden zwölf Monaten im Rallyemodus waren. Dies war ein wiederkehrendes Thema vom Ende der globalen Finanzkrise bis zum Auslaufen der Stützungsprogramme der Zentralbanken.
Die folgende Abbildung zeigt die maximalen monatlichen Drawdowns der quantitativen und fundamentalen Strategien aus der oben genannten Studie.

Abbildung 2: Maximaler Drawdown von fundamentalen und quantitativen IG-Credit-Fonds

Quelle: Morningstar, Quoniam Asset Management GmbH

Die Grafik zeigt, dass die Rückschläge bei den im Durchschnitt aggressiveren fundamental gemanagten Fonds in den Krisenmonaten tendenziell deutlich höher ausfallen. Die Performance war von einer schnellen Erholung der Märkte abhängig, auch wenn die Gegenbewegungen tendenziell stark ausfielen. In der neuen Anlagewelt, in der die Märkte nicht mehr von den Zentralbanken gestützt werden, könnte sich diese Strategie als problematisch erweisen. Quantitative Fonds mit ihrer ausgewogenen Risikostruktur dürften in einem solchen Marktumfeld gut abschneiden.

Alte Ära: Konzentrierte Portfolios mit Top-Picks – neue Ära: Granularität und Diversifizierung

In der Ära des leichten Geldes war Diversifikation eine zweitrangige Überlegung. Da die Asset-Preise stetig stiegen, waren High-Conviction-Trades beliebt und das idiosynkratische Risiko gering. Die Märkte haben negative Nachrichten oft einfach ignoriert, während angeschlagene Unternehmen wie alle anderen von der wachsenden Geldschwemme profitieren konnten.

Da die Zentralbanken die Märkte nun nicht mehr so stark unterstützen, werden die Auswahl der Anleihen, Diversifizierung des idiosynkratischen Risikos und eine hohe Granularität der Portfolios wieder an Bedeutung gewinnen. Fehler in konzentrierten Portfolios werden härter bestraft als zuvor, und die Drawdowns dürften zunehmen.

Abbildung 3: Downgrades eines quantitativen Portfolios im Vergleich zur Benchmark

Quelle: Federal Reserve, Bloomberg L.P.

Ein spezieller Fall dieses Risikobewusstseins ist die Vermeidung von Herabstufungen in den High-Yield-Bereich innerhalb eines IG-Portfolios. Abbildung 3 zeigt den Prozentsatz der Emittenten, die von IG auf High Yield herabgestuft wurden, sowohl für eine globale IG-Credit-Benchmark als auch für einen typischen systematischen Investmentfonds. Neben der Attraktivität von Anleihen aus der Faktorperspektive kann ein spezielles Modell zur Vorhersage von Herabstufungen eingesetzt werden, um das Portfoliorisiko weiter zu reduzieren. In der neuen Anlagewelt, in der die Preisreaktionen stärker vom Markt bestimmt werden, wird die Vermeidung von Downgrades wieder zu einer Performancequelle.

Alte Ära: lange Laufzeiten – neue Ära: aktives Zinsmanagement

Mit Quantitative Easing und Negativzinsen kannten die Anleihemärkte ein Jahrzehnt lang nur eine Richtung: steigende Kurse und fallende Renditen. Anleger, die auf lange Laufzeiten setzten, konnten bei geringem zusätzlichem Risiko einen Mehrertrag erzielen.

Die folgende Abbildung zeigt die jährliche Volatilität der Returns einer Benchmark für US-Staatsanleihen, berechnet aus monatlichen Renditen.

Abbildung 4: Volatilität von Staatsanleihen

Quelle: Bloomberg L.P., Quoniam Asset Management GmbH

Wie die Abbildung nahelegt, ist das niedrige Volatilitätsumfeld einer höheren Volatilität gewichen. Steigende Zinsen, die von starken Gegenbewegungen unterbrochen werden, erfordern ein aktives Management der Zinsmärkte. In der neuen Anlagewelt sollten Faktorstrategien, die auf Zinsmärkte angewendet werden, ihr volles Alpha-Potenzial entfalten.

Alte Ära: Zentralbanken als Liquiditätsquelle – neue Ära: Liquiditätsmanagement ist unverzichtbar

Liquidität war schon immer eine Herausforderung an den Unternehmensanleihemärkten. Durch die Unterstützung durch die Zentralbanken und den Ankauf von Anleihen gab es jedoch einen letztinstanzlichen Käufer, an den die Marktteilnehmer unerwünschte Anleihen verkaufen konnten. Das Eingreifen der Zentralbanken erhöhte zudem die Bereitschaft der Händler, Positionen einzugehen, da sie davon ausgingen, diese leichter wieder verkaufen zu können.

Abbildung 5 zeigt die Auswirkungen einer konsequenten Berücksichtigung der Liquidität bei der Portfoliokonstruktion. Die Verwendung von indikativen Liquiditätsdaten erhöht die Anzahl der Anleihen, die korrekt als liquide eingestuft werden, und verringert die Anzahl der Anleihen, die fälschlicherweise als illiquide eingestuft werden. Dies erhöht auch das Outperformance-Potenzial eines Fonds, wie wir in einem kürzlich veröffentlichten White Paper gezeigt haben.

Abbildung 5: Klassifizierung und Auswirkungen auf die Performance von Vorhandelsdaten

Quelle: Finra, Neptune Networks, Quoniam Asset Management GmbH

Mit dem Ausscheiden der Zentralbanken aus dem Markt wird das sorgfältige Abgreifen der vorhandenen Liquidität und deren Integration in den Investmentprozess zum Erfolgsfaktor für Credit-Manager. Quantitative Strategien mit ihrer inhärenten Fähigkeit, große Mengen an täglichen Liquiditätsinformationen zu verarbeiten, sind gut positioniert, um von der neuen Anlagewelt zu profitieren, in der Liquidität wieder das Ergebnis von Marktkräften ist.

Fazit

Die Welt hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren in vielerlei Hinsicht verändert, und dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle Asset Manager. Strategien, die in der Ära des leichten Geldes funktioniert haben, sind im heutigen Umfeld möglicherweise nicht mehr angemessen. Gefragt sind heute Strategien, die sich an das veränderte Marktumfeld anpassen, die höhere Volatilität ausnutzen und ein diszipliniertes Risikomanagement, Robustheit gegenüber Marktentwicklungen und die Fähigkeit, knappe Liquidität schneller als die Konkurrenz zu beschaffen, kombinieren. Das neue Anlageumfeld ist ideal für quantitative Strategien, die diese Eigenschaften in ihrem Investmentansatz vereinen.


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