Wie haben Credit-Faktoren im Jahr 2023 performt?

Credit Spreads erlebten 2023 viel Volatilität mit einem sehr freundlichen Ende. Dabei erzielten Credit-Faktoren auskömmliche Renditen mit einem starken Rebound des Carry-Faktors. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die nächsten Jahre ein unterstützendes Marktumfeld für Faktorstrategien bieten.

Dr. Harald Henke
Head of Fixed Income Strategy

Spread-Bewegung 2023

Das Jahr 2023 war ein volatiles Jahr für Credit Spreads mit einem versöhnlichen Ende. Euro-IG-Spreads starteten auf einem Niveau von 1,67 % ins Jahr und endeten knapp 30 Basispunkte tiefer bei 1,38 %. Für globale IG-Spreads von Unternehmensanleihen begann das Jahr auf einem Spread-Niveau von 1,47 % und endete bei 1,15 %. Insgesamt waren die Credit-Returns damit deutlich positiv.

Dass es während der Jahres 2023 aber teilweise anders aussah zeigt die folgende Grafik, in der der Verlauf der Euro-denominierten und globalen Credit Spreads für 2023 dargestellt ist, die zwischen einem und zwei Prozent schwankten.

Abbildung 1: Credit Spreads im Jahr 2023

Quelle: Bloomberg L.P.

Nachdem das Jahr 2023 mit einer Spread-Rallye begonnen hatte, sorgte die Krise US-amerikanischer Regionalbanken und die erzwungene Übernahme von Credit Suisse im März für eine Mini-Bankenkrise und das höchste Spread-Niveau des Jahres. Von dort aus fielen die Spreads tendenziell, wurden aber immer wieder von kurzen, scharfen Spread-Anstiegen wie Ende April/Anfang Mai und im Oktober unterbrochen. Erst mit der Jahresendrallye im November und Dezember drehten die Anleiheerträge nicht nur ins Positive, Credit Spreads fielen auch auf das tiefste Niveau des Jahres.

Faktorrenditen 2023 und historische Einordnung

Wie haben systematische Credit-Faktoren in diesem Umfeld performt? Wir betrachten die Faktoren Carry (Investition in hohe Spreads), Momentum (Investition in Bonds von Unternehmen, deren Aktien zuletzt eine überdurchschnittliche Performance gezeigt haben), Value (Bonds, die gegenüber ihrem fairen Wert unterbewertet sind), Quality (Bonds von Emittenten mit überdurchschnittlich hoher Bilanzqualität) und das Multifaktor-Signal, das eine Kombination der Einzelsignale darstellt.

Die Analyse beruht auf Portfolios, die auf Einschränkungen wie Transaktionskosten, Illiquidität oder Beschränkungen in der Abweichung zur Benchmark verzichten. Mit Ausnahme des Carry-Faktors, dessen Werte zwischen Anleihen verschiedener Laufzeiten desselben Unternehmens stark variieren können, verwenden wir eine synthetische fünfjährige Anleihe pro Emittent, um große Unterschiede in der Zins- oder Spread-Duration zwischen den Faktoren zu vermeiden. Die Portfolios weisen zwar Unterschiede in ihrem anhand des DTS gemessenen Kreditrisikos aus. Dies ist allerdings Teil der Faktoreigenschaften, da beispielsweise Carry risikoreicher ist als Momentum oder Quality.

Jeden Monat, zum Ende des letzten Handelstages, investiert das Portfolio gleichgewichtet in die obersten 20 % des jeweiligen Signals zu Benchmark-Spread und hält dann die Portfoliobestände für einen Monat konstant. Die Faktor-Performance sollte daher nicht als Indikator für das Performance-Potenzial verstanden werden, da Friktionen und Kosten in der Realität unweigerlich zu Renditeabweichungen führen. Ein Vergleich zwischen den Jahren und Strategien hilft jedoch, Rückschlüsse auf die Faktorperformance im Jahr 2023 zu ziehen. Das Multifaktor-Signal entspricht der Definition von Quoniam.

Abbildung 2 zeigt die Jahresperformance 2023 der oben genannten Credit-Faktoren für die Euro IG und Global IG Credit-Faktoren.

Abbildung 2: Relative Performance systematischer Credit-Faktoren zum Markt

Euro IG Credit

Global IG Credit

Quelle: Quoniam Asset Management 

Wie aus der Abbildung ersichtlich, hat Carry 2023 alle anderen Faktoren geschlagen. Beginnend mit der Jahresanfangsrallye ließ Carry die anderen Faktoren hinter sich und erreichte in Euro und Global IG Credit jeweils fast 3 % Outperformance. Auch Value und das kombinierte Multifaktor-Signal erzielten positive Outperformance mit Werten etwas oberhalb (Euro IG) bzw. leicht unter (Global IG) 1 %.

Während der Momentumfaktor nur eine Performance ungefähr in Höhe der Marktperformance erreichte, blieb Quality über alle Strategien deutlich hinter der Marktperformance zurück und war 2023 der schwächste Faktor.

Um eine Einordnung dieser Faktorperformance vornehmen zu können, vergleicht Tabelle 1 die Performance des Jahres 2023 mit der durchschnittlichen Performance der vorherigen 5 Jahre 2018-20221.

Tabelle 1: Faktorperformance 2023 im Vergleich zu den Vorjahren

Euro IG Credit

EURO IGCarryMomentumValueQualityMulti-factor
20232,52 %0,16 %1,18 %-0,63 %1,14 %
2018-20220,01 %0,38 %0,97 %-0,50 %0,88 %

Global IG Credit

GLOBAL IGCarryMomentumValueQualityMulti-factor
20232,76 %-0,13 %0,72 %-0,26 %0,77 %
2018-20220,42 %0,53 %0,60 %-0,45 %0,81 %
Quelle: Quoniam Asset Management 

Auffällig ist die deutlich bessere Performance von Carry aufgrund des freundlichen Spread-Umfelds 2023, während die Jahre 2018-2022 geprägt waren durch zwei große Einbrüche um den Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 und dem Spread-Anstieg 2022 und nachfolgende Erholungen. Dadurch hatte der Faktor über die vorherigen fünf Jahre im Schnitt eine neutrale Performance für Euro IG und eine leicht positive für Global IG. Diese wurde 2023 deutlich übertroffen.

Value liegt in beiden Strategien über dem Fünfjahres-Durchschnitt, während Quality zumindest in Global IG Credit den schwachen Fünfjahresschnitt aufbessern konnte. Momentum hat im volatilen Umfeld 2023 mit mehreren scharfen Auf- und Abwärtsphasen an den Märkten nicht erfüllen können, was die Vorjahre versprochen haben.

Das Multifaktor-Signal konnte zumindest in Euro IG Credit mit einer Outperformance von 1,14 % den Durchschnitt der Vorjahre deutlich überbieten, während es in Global IG leicht hinter dem Durchschnitt zurückblieb. Dies bedeutet allerdings einen deutlichen Anstieg im Vergleich zur schwachen Performance des Signals im Jahr 2022.

Ausblick: 2024 und darüber hinaus

Zwar kann niemand mit Sicherheit sagen, welche Faktorperformance die nächsten Jahre bringen werden. Betrachtet man allerdings das aktuelle politische und ökonomische Umfeld, so lassen sich gute Argumente dafür finden, dass Faktoren in der näheren Zukunft erfolgreich sein werden. Dieses Umfeld hat sich in den letzten Quartalen massiv geändert, was nachhaltige Implikationen für Investmententscheidungen hat.

Die letzten 15 Jahre waren eine Phase lockerer Geldpolitik. Angefangen mit den TARP-Programmen, in denen Hunderte von Milliarden USD zur Rettung des Bankensystems ausgegeben wurden, über Zinssenkungen auf null in den USA und unter null in Europa und Japan bis zu massiven Bondaufkaufprogrammen („Quantitative Easing“) trieb billiges Geld die Kapitalmärkte an und führte zu überdurchschnittlichen Renditen von Risiko-Assets.

Asset-Preise stiegen und Zinsen fielen kontinuierlich, und wenn doch einmal eine Krise wie die Corona-Pandemie den Markt erschütterte, griff der Zentralbank-Put und die Notenbanker sorgten für eine Absicherung der Portfoliowerte der Anleger. Dieser vermeintliche Schutz gegen Abwärtsrisiken verbunden mit den extrem günstigen Finanzierungsbedingungen führte dazu, dass etliche Investoren in diesem Umfeld ihre Rendite durch Leverage weiter hebelten.

Die Zeiten haben sich dauerhaft geändert. Angesichts hoher Inflationsraten ist die Geldpolitik eine Bremse für Wachstum an den Kapitalmärkten, wie man anhand der stark negativen Renditen des Jahres 2022 gesehen hat. Hohe Zinsen und stark gestiegene Zinsvolatilität, die aktive Rückführung von Zentralbankbilanzen und das Ende der Unterstützung durch geldpolitische Maßnahmen dürften dafür sorgen, dass die erfolgreichen Strategien der Zeit des billigen Geldes überdacht und angepasst werden müssen.

Dies bedeutet insbesondere, dass Strategien, die immer risikoübergewichtet waren, vermutlich weniger erfolgreich abschneiden werden als in der jüngeren Vergangenheit. Risikomanagement, Diversifikation von Risiken und Stilen sowie die Vermeidung von Downgrades werden an Bedeutung gewinnen. Das aktive Management von Zinsen und Liquidität mit dem Wegfall der Zentralbank als bedingungslosem Käufer von Bonds stellen eine zusätzliche Herausforderung dar.

In einem solchen Umfeld, in dem Marktkräfte wieder mehr wirken und politische Einflussnahme zurückgeht, können Faktorstrategien wieder ihre volle Stärke ausspielen. Das Jahr 2023 bot einen ersten Vorgeschmack auf die neue Investmentwelt. 2024 wird zeigen, ob der Trend sich fortsetzt. Wir schauen gespannt und zuversichtlich nach vorne.

  1. Wir haben den Effekt russischer Bonds aus der Benchmark für März 2023 herausgerechnet. Diese hatten in jenem Monat gemäß Benchmark-Logik einen Return von -100 %, während sie in der Realität mit einem Preis deutlich über null notierten. ↩︎

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