Welche Aktien bewähren sich in der Stagflation?
Mark Frielinghaus und Dr. Oliver Murschall beleuchten die Lage des Aktienmarktes im aktuellen Stagflationsumfeld und gehen auf Parallelen zur Situation in den 1970er Jahren ein. Wie schlugen sich verschiedene Investmentstile wie Value, Growth/Profitability, Momentum, Multifaktor sowie defensive Titel in vergleichbaren Marktphasen und welche Rückschlüsse lässt dies auf die Entwicklung der aktuellen Stagflation zu?
Das gegenwärtige Kapitalmarktumfeld mit anhaltenden Krisen (Russland-Ukraine), einer langsam einsetzenden Zinswende seitens der Zentralbanken und einer massiven Inflationsentwicklung in den Industrieländern von 7-8% im Jahresvergleich markiert eine Zeitenwende. Glaubte man seitens der Zentralbanken in den vergangenen Jahrzehnten die Inflation endgültig eingedämmt zu haben und legte den Fokus der Zentralbankpolitik immer stärker auf die wirtschaftliche Entwicklung, kommen die Preissteigerungen nun mit einer ungeheuren Vehemenz zurück. Die anhaltende Unsicherheit bezüglich künftiger geopolitischer Entwicklungen und Zinserhöhungen lässt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer Rezession steigen. Treten beide Phänomene simultan auf, spricht man von einer Stagflation.
Um ein stagflationäres Wirtschaftsumfeld näher zu betrachten, ist ein Blick in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hilfreich. Auch damals kam es aufgrund einer rasanten Ölpreisentwicklung in Zusammenhang mit Förderkürzungen und Preisabsprachen zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation. Diese wurde zunächst unterschätzt, so dass die Geldpolitik nicht angemessen schnell und entschlossen darauf reagierte. Damit etablierte sich die Inflation über einen langfristigen Zeitraum von fast 15 Jahren, Ende der 1960er bis zum Beginn der 1980er Jahre. In diesem Zeitraum lagen die Inflationsraten annualisiert konstant über 5%. Gleichzeitig kam es immer wieder zu temporären Rückgängen des Wirtschaftswachstums bzw. zu Rezessionen. Wie in der unteren Abbildung ersichtlich, lassen sich drei Abschwungphasen identifizieren, in denen die Kriterien der Stagflation erfüllt sind: 1969-1970, 1973-1975 und 1979-1982.
Steigende Inflation, sinkendes Wachstum – kommen die 1970er zurück?
Somit eignen sich diese Abschwungphasen, aber auch der Gesamtzeitraum eines hochinflationären Szenarios, um unterschiedliche Investmentansätze zu untersuchen und entsprechende Rückschlüsse auf die Effektivität von Investmentstilen der Aktienanlage im Stagflationsumfeld sind möglich. Im Folgenden konzentrieren wir uns dabei auf die Faktoren Value, Growth/Profitability, Momentum sowie die Mischung dieser Einzelfaktoren (Multifaktor). Daneben betrachten wir, wie sich defensive/schwankungsarme Titel, gemessen an Low Volatility, in diesem Umfeld behaupten.
Erreichte Rendite von Investmentstilen in diesem Umfeld (reale absolute Renditen nach Inflation)
Über den Gesamtzeitraum der stagflationären Phase zeigt sich eine signifikant negative Aktienmarktrendite. Andererseits wird aber deutlich, dass einige Investmentstile/-faktoren wesentlich besser abgeschnitten haben als ein passives Marktinvestment. Insbesondere Value und Momentum erzielten deutlich positive relative Renditen und lieferten damit auch über den Gesamtzeitraum gerechnet, einen positiven Gesamtertrag. Ferner hat auch die Kombination von systematischen Investmentfaktoren einen deutlichen Mehrwert erzielt. So lag ein Multifaktor-Portfolio im Zeitraum von 1968 bis 1982 insgesamt 1,5% p.a. vor dem Gesamtmarkt. Auch defensive Werte konnten sich besser halten und erzielten einen Mehrwert von über 1% auf Basis jährlicher Renditen.
Noch differenzierter wird das Bild, wenn wir innerhalb des Gesamtzeitraums Abschwungphasen definieren, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben hoher Inflation auch ein rückläufiges Wirtschaftswachstum und ein fallender Aktienmarkt vorherrschen. In diesen Phasen liegt die Marktrendite nochmals deutlich schwächer mit rund -20% annualisiert. Auch hier können sich die systematischen Investmentfaktoren positiv abheben und auch hier zeigt die Mischung der Faktoren Value, Profitability und Sentiment eine erhebliche Überrendite. Auffällig ist hierbei die noch stärkere Abfederung durch Low Beta-Titel, die mehr als 5% Outperformance gegenüber dem Gesamtaktienmarkt erzielen.
Interessant ist es, die Risikodimension in die genannten Vergleiche mit einzubeziehen. Hier zeigt sich, dass die absolut stärkste Wertentwicklung der Stile Value und Momentum durch ein deutlich höheres Risiko erkauft wird. Demgegenüber befinden sich sowohl die Multifaktor-Strategie und ohnehin der Low Beta-Ansatz entweder auf gleichem Risikoniveau oder deutlich unterhalb des Marktrisikos bei gleichzeitig konsistenter Outperformance. Dieses Ergebnis lässt sich sowohl für den Gesamtzeitraum von 15 Jahren als auch für die isolierte Betrachtung der Abschwungphasen verifizieren.
Multifaktor-Mix zeigt stabile Outperformance ohne höheres Risiko (reale absolute Renditen nach Inflation)
Damit lassen sich sowohl quantitative Multifaktor-Strategien als auch defensive / Low Volatility-Konzepte eindeutig als Krisenprofiteure einer Stagflation identifizieren. Sollte sich die gegenwärtig schwierige Phase hoher Inflationsraten und durch geopolitische Unsicherheiten getrübten Wirtschaftswachstums etablieren, zeigen diese Investmentstrategien vielversprechende Lösungsansätze, um auch in Zukunft attraktive risikoadjustierte Renditen am Aktienmarkt zu erzielen.
Was liegt also näher als die beiden erfolgreichen Philosophien zu kombinieren? In der Quoniam MinRisk-Strategie konstruieren wir ein defensives Multifaktor-Portfolio. Damit bilden wir neben Defensivität auch ganz bewusst die Faktoren Value, Quality und Sentiment ab. In dieser Verbindung haben die Ergebnisse sowohl in dezidierten Abschwungphasen als auch in langwierigen volatilen Seitwärtsphasen der 1970er Jahre Aktienmärkte erfolgreich gezeigt.
Versucht man die Ertragskomponenten bzw. das Erfolgsgeheimnis dieser Investmentphilosophie zu entschlüsseln, fällt Folgendes auf: Gerade in Zeiten hoher Unsicherheit ist ein Stabilitätsanker bei Aktieninvestments wichtig. In der Stagflationsphase von 1969 bis 1982 wird dies an den Beiträgen der Dividenden zur Gesamtperformance deutlich.
Quellen der Gesamtrendite von US-Aktien 1973-heute (nach Inflation)
Unter Berücksichtigung der Inflation blieben sowohl das Gewinnwachstum als auch die Veränderung der Preismultiplikatoren (z.B. KGV) letztlich ohne Mehrwert für den Investor. Die einzig positive Kontribution, auch nach Abzug der hohen Inflationsrate, ging von den Dividendenzahlungen der Unternehmen aus. Dadurch konnten Investoren einen konsistenten Mehrwert in der Stagflation erzielen und damit die deutlich negativen Gesamtmarktrenditen abfedern oder sogar absolut positive Renditen erzielen. Schaut man in die jüngere Vergangenheit, sieht man, dass die Kursentwicklungen seit der Jahrtausendwende hauptsächlich von steigenden Unternehmensgewinnen getrieben wurden. Nun scheint die langanhaltende Phase der Desinflation jedoch vorüber und es darf bezweifelt werden, ob in Zeiten hoher Inflation die realen Unternehmensgewinne weiterhin überdurchschnittlich stark steigen können.
Insbesondere in einem defensiven Multifaktor-Portfolio (MinRisk) sind die Dividendenerträge höher und stabiler als im Index
Umso wichtiger ist daher der Beitrag aus Dividenden, die über längere Zeiträume einen massiven Unterschied ausmachen können. Obige Grafik zeigt den konstanten Mehrertrag einer simulierten Quoniam MinRisk Global Strategie gegenüber einem marktkapitalisierten Index. Während die jährliche Spanne der Dividenden bei etwa 1-2% liegt kumuliert sich der Mehrertrag über einen Zeitraum von 20 Jahren auf annähernd 400%!
Woran liegt diese konsistent höhere Ausschüttung der MinRisk-Titel gegenüber einem passiven Investment?
Durch den stabilitätsorientierten Charakter werden im MinRisk-Portfolio solche Aktien übergewichtet, die ein robustes und profitables Geschäftsmodell aufweisen, geringer verschuldet sind, konstante Cash-Flows mit geringer Abhängigkeit zum Konjunkturzyklus generieren, verlässliche Unternehmensergebnisse erzielen und angemessen bewertet sind. Zwar liegt bei diesen Unternehmen der normalisierte Gewinn etwas unterhalb von schwankungsanfälligen Wachstumsaktien, dafür sind die Rückgänge in den Gewinnen auch deutlicher geringer.
Geringere Schwankungen der Unternehmensgewinne
Folglich lassen sich aus den stabileren Geschäftsmodellen auch verlässlichere Dividendenzahlungen generieren, was wiederum langfristig zu einem höheren Dividendenertrag führt als im Aktienmarkt insgesamt.
Fazit
Gerade in Zeiten hoher Unsicherheit, steigender Inflation und volatiler Aktienmärkte zeigen sich die Vorteile eines defensiven Multifaktor-Portfolios besonders deutlich. Auch für die folgenden Jahre wird es Investoren mit begrenztem Risikobudget ermöglicht, durch ein Investment in schwankungsarme Titel mit stabilen Dividendenerträgen, im Aktienmarkt investiert zu bleiben und die damit verbundenen höheren Ertragsaussichten gegenüber festverzinslichen Anlagen zu nutzen.