CIO-Kommentar: Diversifikation schlägt Konzentration
Die von Präsident Trump am „Liberation Day“ verhängten Zölle haben einen weltweiten Handelssturm ausgelöst. Die Marktvolatilität ist stark angestiegen und die Sorge vor einem tiefgreifenden und langwierigen Handelskrieg sitzt tief. CIO Dr. Volker Flögel, CFA, liefert eine szenariobasierte Analyse möglicher Marktentwicklungen und skizziert relevante Portfoliostrategien, um Anlegern in Zeiten erhöhter Unsicherheit Orientierung zu geben. Dabei rät er zu einem diversifizierten Investmentansatz.


Dr. Volker Flögel, CFA
Chief Investment Officer
Die Ankündigung von Präsident Trump, am „Liberation Day“ deutlich höhere und umfassendere Zölle zu verhängen als ursprünglich in Aussicht gestellt, hat die Marktteilnehmer überrascht. Die Hoffnung auf eine mögliche kurz- bis mittelfristige Verhandlungslösung schwand und führte zu weiteren Marktrückgängen. Wichtige Handelspartner haben ihren Ton von versöhnlich auf entschlossen oder im Falle Chinas sogar auf Vergeltung umgestellt. Die Unsicherheit bleibt hoch.
Bereits im Jahr 2024 zeichnete sich ab, dass solche Maßnahmen bevorstehen könnten. Stephen Miran, derzeitiger Vorsitzender des US Council of Economic Advisers, schrieb im November 2024: „A second Trump term is likely to be even more forceful than the first when it comes to reconfiguring the international trading and financial systems. With President Trump unable to run for another term, he can focus on his legacy and achieving some of his core goals of reindustrialization, manufacturing revitalization, and improved international competitiveness.“1
Der Versuch, in den nächsten vier Jahren ein positives Vermächtnis der Reindustrialisierung in den USA zu hinterlassen, steht vor der Herausforderung, dass globale Unternehmen ihre grenzüberschreitenden Lieferketten seit Jahrzehnten verfeinert haben. Die Wertschöpfung überquert vor dem endgültigen Verkauf mehrere Grenzen, wodurch ein komplexes globales Netz von Zulieferinfrastrukturen und qualifizierten Arbeitskräften entsteht. In einem aktuellen CNN-Interview erklärte Dan Ives, Global Head of Technology Research bei Wedbush Securities, dass eine Verlagerung der Produktion eines iPhones in die Vereinigten Staaten zu einem Preis von 3500 USD pro Telefon führen würde.2
Als systematische Investoren mit mehr als 25 Jahren Markterfahrung bleiben wir unserer Philosophie auch in einem sich wandelnden politischen und wirtschaftlichen Umfeld treu. Die empirische Herangehensweise an Daten ermöglicht es uns, rationale und unvoreingenommene Entscheidungen zu treffen und verhaltensbedingte und emotionale Verzerrungen in turbulenten Zeiten zu vermeiden. Unsere Fähigkeit, große Datenmengen zu analysieren, gepaart mit einem hocheffizienten Automatisierungsprozess, erleichtert die gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Anlageentscheidungen innerhalb und über große Anlageuniversen hinweg. Anleger haben die Möglichkeit, Chancen in der gesamten Breite der globalen Märkte zu nutzen. Unsere flexible Investmentplattform kann Ihr Portfolio an Ihre spezifische Risikobereitschaft anpassen, zum Beispiel durch Hinzufügen einer MinRisk-Allokation. Wie immer stehen wir Ihnen als Partner bei Ihren Überlegungen zur Portfoliostruktur und zu Ansätzen zur Risikominderung zur Verfügung.
Im Folgenden geben wir einen szenariobasierten Ausblick auf die weitere Entwicklung und fassen einige Ideen für die Positionierung in Aktien und Anleihen zusammen.
Szenario 1: Keine Einigung – tiefer, lang anhaltender Handelskrieg
Globaler Handel und Wirtschaft
- Angekündigte Zölle bleiben bestehen, ohne dass es zu einer Einigung kommt
- Große Handelspartner ergreifen Vergeltungsmaßnahmen, die eine Spirale eskalierender Zölle und Handelsbeschränkungen in Gang setzen
- Der Welthandel bricht zusammen, ähnlich wie in den 1930er Jahren
Relevante Antworten
- EU: Digitale Dienste und Anti-Coercion-Maßnahmen („Bazooka“)
- China: Gegenzölle und starke Abwertung des Yuan
Wirtschaftliche Auswirkungen
- Globale Rezession
- Niedrigere Rohstoff- und Energiepreise, schwache Nachfrage; der Arbeitsmarkt könnte die Inflation langfristig, aber nicht zügig, dämpfen
- Anhaltende Stagflation: 1) 2 % Rückgang des US-BIP, 2) Inflation in der Größenordnung von 4 % und mehr möglich
- Strukturelle und dramatische Eingriffe in Geschäftsmodelle und Unternehmensgewinne, massive Zahlungsausfälle möglich
- Systemische Risiken – Finanzsektor: Liquiditätsrisiken, die auch Staatsanleihen betreffen
Auswirkungen auf die Märkte
Zinsen
- Erste Reaktion: Zinssenkungen der Zentralbank zur Unterstützung der Wirtschaft
- Mögliche zukünftige Entwicklung: Anhaltende Inflation könnte zu weiteren Zinserhöhungen führen
- Vergleich mit historischen Ereignissen: Ähnlich wie in den 1970er und 1930er Jahren, aber nicht so schwerwiegend
Spreads
Vor allem in Europa und China ist mit einer deutlichen Ausweitung zu rechnen. Historische Präzedenzfälle legen Folgendes nahe:
- 250-300 Basispunkte für Investment Grade
- 750-900 Basispunkte für High Yield
Aktien
- Niedrigere Bewertungskennzahlen: Die Anleger verlangen eine höhere Risikoprämie, was zu weiteren Rückschlägen führt
- Value-Aktien (Industrie- und Finanzwerte) unter Druck aufgrund von Rezessionsrisiken
- Ebenso sind Growth- und Technologiewerte aufgrund hoher Bewertungskennzahlen und Vergeltungsmaßnahmen unter Druck
Szenario 2: Volatilität, aber schließlich eine Einigung – günstiges Szenario
Globaler Handel und Wirtschaft
Teilweise Vereinbarungen getroffen
- Nach intensiven Verhandlungen und Hin- und Her-Taktieren werden mit den wichtigsten Partnern (EU, China usw.) Teilvereinbarungen getroffen
- Zeitplan und Klarheit der Vereinbarungen sind ungewiss und lassen Zweifel am Ergebnis aufkommen
- Im günstigsten Fall sind in den nächsten Quartalen bedeutende Erfolge zu verzeichnen
- Die Mid-Term-Wahlen 2026 und der 250. Jahrestag der Gründung der USA könnten Katalysatoren für einen Wandel sein, wobei ein gewisser wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte
Wirtschaftliche Auswirkungen
- Die unsichere Lage dämpft das Wachstum, mit einer leichten Rezession (>50% Wahrscheinlichkeit)
- 1-1,5 % Rückgang des US-BIP und ein ähnlicher Anstieg der Inflation
- Auch in der EU/China ist das Wachstum geringer, aber ohne Inflation
- Vorübergehende (abhängig von den oben genannten Punkten) Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne, Geschäftsmodelle werden (teilweise) angepasst
Auswirkungen auf die Märkte
Zinsen
- USA: Aggressive Zinssenkungen im Jahr 2025 unwahrscheinlich, anders als in der EU und China
- Langfristige Zinsen: Volatil, je nach Marktentwicklung
Spreads
- Investment Grade: 120-150 Basispunkte
- High Yield: 500-600 Basispunkte
Aktien
- Gewinnmitnahmen bei hohen Bewertungskennzahlen, insbesondere in der Technologiebranche
- Märkte: Stagnation, mit Potenzial für einen Anstieg, sobald sich die Lage stabilisiert
- Vorübergehende Auswirkungen: Value- und Growth-/Technologiewerte leiden, Kaufgelegenheit nach Kurskorrektur
- Markterholung bei guten Nachrichten
- Neue Drawdowns bei weiteren schlechten Nachrichten
Denkanstöße für Anleger – Diversification Day
In Anbetracht dieser beiden Szenarien lautet unser Motto: Machen Sie aus dem „Liberation Day“ einen „Diversification Day“.
Aktien
Schlussfolgerung aus der Szenarioanalyse
In einem Worst-Case-Szenario würden sowohl Large Cap Growth-/Big Tech- als auch Small Cap-/Value-Aktien leiden, insbesondere im Handels- und Finanzsektor. Dieses Szenario begünstigt ein defensives Aktienportfolio wie unsere MinRisk-Strategie, die in der Regel mehr Unternehmen mit lokalen Geschäftsmodellen enthält als die Marktindizes. In einem günstigen Szenario ist eine Erholungsrally wahrscheinlich, wobei Aktien mit höherem Beta die bevorzugte Wahl wären.
Strategie des Portfolios
Eine Teilallokation in eine defensive, Benchmark-unabhängige Strategie wie MinRisk kann Portfolios diversifizieren. Historische Erfahrungen aus den 1970er Jahren legen zudem nahe, dass eine Diversifikation über das gesamte Stilspektrum mit einer Untergewichtung von teuren Large-Cap-Aktien sinnvoll ist.
Fixed Income
Schlussfolgerung aus der Szenarioanalyse
Für das Worst-Case-Szenario ist ein defensiver Ansatz angebracht, insbesondere angesichts der Inflationsgefahren. In diesem Szenario ist eine Strategie mit kurzer Duration sinnvoll. Auch auf der Spread-Seite ist eine Konzentration auf Anleihen mit höherer Bonität und geringerer Spread-Duration sinnvoll.
In einem günstigen Szenario mit einer Volatilität nahe dem Höchststand und einer moderaten Spreadausweitung gegenüber dem aktuellen Niveau sind die Risikoprämien wieder relativ attraktiv und sprechen für höhere Spreads.
Strategie des Portfolios
Ein defensiver Credit-Ansatz mit kurzer Duration, wie unsere Benchmark-agnostische Credit MinRisk-Strategie, kann ein wertvoller Diversifikator für Portfolios sein. Dieser Ansatz konzentriert sich auf Anleihen mit höherer Bonität, geringeren Spreads und kürzerer Zinsduration und bietet eine Absicherung gegen potenzielle Marktvolatilität.